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Dr. Gregor Bonin: „Mönchengladbach soll den Mut zum großen Denken haben“

Mit jeder Menge Elan hat Dr. Gregor Bonin sein Amt als neuer Baudezernent der Stadt Mönchengladbach angetreten. Seit rund 100 Tagen ist der gebürtige Westfale im Amt – sein erstes Fazit fällt positiv aus. Bonin betont, dass die Stadt jetzt viele Chancen habe – sie müsse sie nur jetzt nutzen!

Rathaus Abtei, Büro Speen: Interview mit Dr. Gregor Bonin
Mit Leidenschaft Stadtplaner: Dr. Gregor Bonin. Fotos: Andreas Baum

Herr Dr. Bonin, die obligatorischen 100 Tage im Amt sind für Sie schon passé, dennoch die Frage nach Ihrem ersten Eindruck als neuer Baudezernent der Stadt Mönchengladbach!
Mein erster Eindruck ist geprägt durch die vergangenen 20 Jahre, die ich jetzt schon in Mönchengladbach wohne. Auch durch meine Mitarbeit am Masterplan MG3.0, den ich seit der ersten Stunde begleite, hat das echte Überraschungsmoment gefehlt. Einige Dinge stellen sich besser dar, als ich dachte, andere stellen sich tatsächlich schlechter dar, also ein buntes Spiel unterschiedlicher Stimmungen und Schwankungen. Was ich aber schon seit längerem feststelle und sich durch meine Tätigkeit in der Verwaltung noch verfestigt hat: Diese Stadt ist in Bewegung, in der Stadt passiert etwas. Das ist an den unterschiedlichsten Stellen zu merken, und eben nicht nur in der Privatwirtschaft, sondern – von Tag zu Tag mehr – auch in der Verwaltung.

Gab es aus Ihrer Sicht einen Auslöser, warum die Stadt in Bewegung gekommen ist?
Es hat in dieser Stadt immer schon ein hohes Potenzial an Menschen gegeben, die für ihre Heimatstadt etwas tun wollen. Das zeigt sich beispielsweise in den unterschiedlichsten Formen des bürgerschaftlichen Engagements. Aus meiner privaten und ganz persönlichen beruflichen Sicht war der Auslöser die Erstellung des Masterplans. Bis jetzt wurde in dieser Stadt im Rahmen des Masterplans fast eine Million Euro gesammelt, um zum ersten Mal eine konzeptionelle gesamtstädtebauliche Planung voranzutreiben, und das gemeinschaftlich mit den Bürgern. Daran sieht man, dass in Mönchengladbach von allen Seiten ein hohes Interesse besteht, aus der Stadt mehr zu machen, als sie derzeit darstellt.

Der Masterplan also als Leitlinie für Mönchengladbach?
Eher als Rahmen für die Leitlinie, die ich mitgebracht habe und die sich erfreulicherweise in kurzer Zeit in vielen Diskussionen verankert hat: die der „Wachsenden Stadt“. Solch eine Leitidee, unter der sich viele subsummieren können, hat bislang gefehlt, ist aber keine, die nur die Stadtplaner umsetzen können – dazu gehören alle. Ich habe direkt zu Beginn meiner Amtszeit sehr deutlich gemacht, welche Aspekte mir hinsichtlich der Wachsenden Stadt wichtig sind. Dass sich dies direkt auf politischer Ebene niederschlägt, dafür Mittel im Haushalt bereitgestellt werden und die Verwaltung zusammen mit den städtischen Töchtern bemüht ist, diese Leitidee umzusetzen, stimmt mich positiv.

Rathaus Abtei, Büro Speen: Interview mit Dr. Gregor BoninWas verstehen Sie denn unter einer „Wachsenden Stadt“? Welche Faktoren spielen dort hinein?
Eine wachsende Stadt mache ich nicht allein an Zahlen, beispielsweise der Einwohnerzahl, fest, um daraus Benchmarks abzuleiten. Für mich ist es eine Frage des Wachstums in Qualitäten, um letztendlich über Angebote eine Nachfrage zu definieren. Wenn ich diese Nachfrage definiert habe, kann ich einen Wandel in den unterschiedlichen Bereichen vollziehen. Der Begriff „Wachsende Stadt“ ist im positivsten Sinne ein „Rettungsschirm“, unter dem sich verschiedene Fachdisziplinen sammeln können. Dafür müssen wir ein attraktives Wohnumfeld schaffen, das Menschen in die Stadt lockt, die Mönchengladbach bislang nicht auf dem Schirm hatten. Preisgünstige Wohnungen haben wir dabei schon genug; um eine gute Mischung zu haben, müssen wir auch höherwertige Wohnungen in verschiedenen Stadtteilen anbieten – erst dann habe ich eine attraktive Mischung! Das hat nichts mit der Ausgrenzung eines bestimmten Klientel von Einkommensempfängern zu tun, sondern mit der Frage nach der Perspektive einer Stadt. Kann und sollte sie es sich dauerhaft leisten, auf die abzuzielen, die man während der Ausbildung unterstützt, mit Wohngeld unterstützt, im Alter unterstützt – und das alles mit kommunalem Geld? Ich sage: Eine Stadt, die im Aufbruch ist, die in Konkurrenz zu vielen anderen Städten steht und wo die Sozialstruktur in der Tat eine schwierige ist, muss sich anders aufstellen. Zu einer modernen europäischen Stadt gehört außerdem das Thema Freiraum/Mobilität, genau wie die Themen Wirtschaft, Kultur, Sport und Forschung. Diese verschiedenen Bausteine für eine Wachsende Stadt müssen innerhalb der Verwaltung und der städtischen Töchter moderiert werden, und darin sehe ich meine Aufgabe. In diesem Zusammenhang finde ich übrigens, dass die AöR „Kompetenzzentrum Sauberkeit“ genau zum richtigen Zeitpunkt gegründet wurde, quasi als Bekenntnis für eine saubere Start. Grundsätzlich habe ich schon in der kurzen Zeit, in der ich in der Verwaltung tätig bin, ganz viele langjährige Mitarbeiter gesprochen, denen bislang das klar definierte Ziel gefehlt hat und die sich die Frage gestellt haben: Was will diese Stadt eigentlich?

„Entweder nutzen wir jetzt unsere Chancen – oder nie“

Sagen Sie es uns: Was will diese Stadt? Oder: Was soll sie wollen?
Die Stadt soll den Mut zum großen Denken wollen. Sie soll dieses Denken zulassen und sich dann nicht in jahrelangen politischen Diskussionen verlieren, bis die Chance vorbei sind. Die Stadt soll Chancen erkennen, ergreifen und dazu stehen.

Ist 2016 ein Jahr der großen Chancen für Mönchengladbach?
Davon bin ich fest überzeugt. Und ich weiß, dass die Verwaltung mit Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners an der Spitze und die Politik den festen Willen haben, diese zu nutzen. Übrigens bin ich der Meinung, dass die Große Koalition in ihrer aktuellen Konstellation sehr gut zusammenarbeitet und erkannt hat: Entweder nutzen wir jetzt unsere Chancen – oder nie. Die Parameter dafür sind da und so günstig wie niemals zuvor. Deswegen wird es in diesem Jahr viele Entscheidungen auf politischer Ebene geben.

Klingt nach paradiesischen Zuständen für einen Baudezernenten, der neu in der Stadt ist…
…und wenn es dann nicht klappt, haben wir einen Schuldigen (lacht). Im Ernst: Ich werde oft gefragt, warum ich den Schritt von Düsseldorf nach Mönchengladbach gemacht habe. Antwort: Weil ich Ideen habe und diese in meiner Wahlheimat umsetzen möchte, aber das geht nicht alleine, sondern nur gemeinsam. Deswegen würde ich auch nicht von einem Paradies sprechen, denn es handelt sich um ein hartes Stück Arbeit. Aber was gibt es Schöneres, als diesen positiven Stress zu haben?

„Ich bin mit Leidenschaft, Gestalter und Kreativer“

Ich habe Sie inzwischen bei mehreren Anlässen erlebt, bei denen Sie stets glaubhaft versichert haben: Ich brenne für diese Stadt! Woher kommt dieser Enthusiasmus für Mönchengladbach, obwohl Sie in Münster geboren sind?
Auch Westfalen können brennen, auch wenn Sie dafür nicht unbedingt bekannt sind (lacht). Ich bin mit Leidenschaft Stadtplaner, ich bin mit Leidenschaft Gestalter und Kreativer. Und es ist doch schön, das Gefühl zu haben, in einer Stadt etwas bewirken und umsetzen zu können. Dazu gehören Emotionen, und die habe ich. Daher rührt dieses Brennen für meine – ich nenne sie inzwischen – Heimatstadt. Ich kann mich an eine Schlagzeile in einer Mönchengladbacher Tageszeitung während meiner ersten Wahlperiode in Düsseldorf erinnern. Sie lautete, mit Bezug auf diese Stadt: Ohne jede Leidenschaft. Und dieses Gefühl hatte man hier früher auch. So kann man sich sicher durchmogeln, auch über viele Jahre hinweg – das ist aber nicht mein Anspruch. Von daher brauchen Sie Leidenschaft, um Leute mitzureißen und mitzunehmen, und deswegen müssen Sie selber für eine Sache brennen, von morgens bis abends, 24 Stunden am Tag.

Das heißt, Ihre Aufgabe ist es auch, in der Verwaltung ein klares Ziel vorzugeben und die Mitarbeiter zu motivieren?
Das ist für jede Führungskraft eine der Hauptaufgaben. Und ich spüre an verschiedenen Stellen die Kreativität, die in der Verwaltung herrscht, und diese fördert man nur zu Tage, wenn man motiviert, eine klare Ansprache hat und das Ziel vorgibt.

Rathaus Abtei, Büro Speen: Interview mit Dr. Gregor Bonin
Baudezernent Dr. Gregor Bonin im Gespräch mit Wirtschaftsstandort-Redakteur Jan Finken.

Nun ist es kein Geheimnis, dass Mönchengladbach keine reiche Stadt ist. Erschwert das seine Entwicklung?
Wie reich oder arm eine Stadt ist, ist für mich kein Kriterium, ob man aus dieser Stadt etwas machen kann. Ganz im Gegenteil: Wenn weniger Geld vorhanden ist, muss man sich ganz genau Gedanken machen, wo man es gezielt einsetzt und – das mag pathetisch klingen – in die Zukunft investiert. Und es sind schon kleine Dinge, die Wirkung entfalten können. Beispielsweise der Baumrückschnitt am Fuße des Münsters. Ich fahre jeden Tag über die Hittastraße und bin begeistert über den Blick auf die Abtei; ich denke manchmal, ich bin in einer anderen Stadt. Das ist eine Maßnahme, von der ich sage: Sie muss nicht viel kosten, aber sie muss bewusst gesetzt sein, um das Stadtbild zu verbessern. Ich bin beispielsweise auch großer Verfechter davon, uns sofort mit dem Parkplatz am Geroweiher auseinanderzusetzen. Und zwar nicht in puncto Bebauung, sondern Verschönerung: Können wir beispielsweise die Wasserfläche vergrößern? Im niederländischen `s-Hertogenbosch gibt es im Stadtzentrum einen kleinen See, über einen Steg kommen Sie in die City – ich sage Ihnen, da läuft Ihnen das Herz über! Und da muss man sich mit Blick auf die Situation in Mönchengladbach die Frage stellen: In welcher großen deutschen Stadt gibt es heute noch zentrumsnah kostenfreie Parkplätze wie bei uns am Geroweiher? Stattdessen doch lieber unterirdische Parkmöglichkeiten, eine große Grün- und Wasserfläche und die Topographie hinauf zum Münster sicht- und erlebbar machen.

„Eine starke Stadt lebt von einer starken Innenstadt“

Vom Münster hinüber zur City Ost: Der Planungs- und Bauausschuss hat Mitte Februar die Weichen für die weitere Entwicklung gestellt.
Durch den Ausschuss bestätigt worden, in der City Ost Wasser als zentrales Element der künftigen Planungen zu nehmen, also von innen heraus zu denken. Andere Ideen, die auf den ersten Blick erkennbar gut scheinen – Stichwort Fahrradschnellweg – sind weiter Bestandteil der Überlegungen. Die Politik folgt hier den Vorschlägen der Verwaltung und sagt auch: Hier muss uns etwas gelingen – mit der Wasserfläche und mit der Mischung von Wohnen, Arbeiten und Freizeit, was ich mit Blick auf das Quartier, aber auch hinsichtlich der Nachbarflächen REME-Gelände und Hauptbahnhof als ganz wichtig erachte. Genauso wichtig ist damit aber auch das Bekenntnis zum Umbau und zur Weiterentwicklung der Innenstadt. Ohne die Honschaften dabei zu vergessen: Eine starke Stadt lebt nun einmal von einer starken Innenstadt.

Sie haben keinen Hehl daraus gemacht, dass Sie die Idee einer Wasserfläche in der City enorm spannend finden. Was ist für Sie das Faszinierende am Thema Wasser?
Wasser ist emotional belegt. Zu Wasser hat man immer einen Bezug. Schauen Sie, welche Faszination allein Brunnen in Städten auslösen, vor allem bei Kindern. Eine bessere Bespielung des öffentlichen Raums kann es doch gar nicht geben. Das Gleiche gilt für eine große Wasserfläche: Was könnte da alles passieren? Ein Hausboot mit einem Künstleratelier. Ein Container mit einem integrierten öffentlichen Swimming-Pool – gibt es beispielsweise in Berlin. Gegenüber liegt das Vitusbad: Gibt es vielleicht die Möglichkeit, ein Freibad einzurichten? Oder ich habe eventuell einen Radweg, der vorbeiführt, dazu Wasser… Kann ich hier einen Triathlon ausrichten? Ich kann das ohne Ende weiterspinnen. Wichtig ist, dass dies keine akademische Wasserfläche wird, die nicht brach liegt, sondern dass sie eine benutzbare Fläche ist. Mit Element Wasser in der City bekommt Mönchengladbach außerdem ein Alleinstellungsmerkmal.

Viele mutmaßen, die Unterhaltung und Pflege einer Wasserfläche wäre teurer als die einer Grünfläche.
Abgesehen davon, dass nach meinen bisherigen Recherchen Wasser nicht teurer in der Unterhaltung als eine gestaltete Grünfläche ist, interessiert mich das zum jetzigen Zeitpunkt der Planung noch überhaupt nicht. Wenn wir jetzt schon darüber reden, wie teuer etwas werden kann, werden alle Ideen direkt im Keim erstickt. Ich muss doch vielmehr die Vorteile sehen! Wir sind dort Grundstückseigentümer, und wenn wir vor dem Hintergrund der wachsenden Stadt dort ein qualitativ hochwertiges Wohn- und Arbeitsumfeld anbieten, darf die Qualität auch etwas kosten.

Wie optimistisch sind Sie denn, dass sich Ihre Vorstellungen rund um die Wasserfläche auch umsetzen lassen?
Das wird man sehen. Wir müssen das Verkehrserschließungssystem entwickeln, die Gestaltung der Uferkante ist in Teilen noch zu überprüfen und so weiter. Aber wenn Sie mich fragen, wo ich 2023 sitzen möchte, dann sitzen wir beide tagsüber dort am See, trinken einen Kaffee oder gerne auch abends ein Glas Wein.

„Die Gestaltung des öffentlichen Raums spiegelt die Haltung einer Kommune wieder“

Rathaus Abtei, Büro Speen: Interview mit Dr. Gregor BoninSehr gerne, der Termin ist notiert. Damit wären wir bei der Zeitschiene. Sie haben im Vorfeld gesagt, es dürfe nicht jahrelang dauern, bis in der City Ost etwas geschieht, sondern dort müsse in drei bis vier Jahren sichtbar etwas passieren.
Parallel zur Bauleitplanung müssen wir uns jetzt auf den Weg machen und potenzielle Investoren für unsere Pläne begeistern und ihnen vermitteln: Schaut mal, hier passiert etwas! Die Gestaltung des öffentlichen Raums spiegelt die Haltung einer Kommune wider. Dabei müssen wir vielleicht Teile vorfinanzieren, denn den ersten Investor zu finden, ist immer der schwierigste. Aber noch ist das Zeitfenster dafür offen, Stichwort Zinslage. Wer weiß denn, wie lange Investoren noch weltweit agieren, je nachdem wie sich die globale Situation entwickelt? Dann nützt es nichts, dass wir tolle Angebote haben, es müssen auch Leute da sein, die investieren. Deswegen ist es wichtig, dass wir nach außen glaubhaft kommunizieren: Ja, wir wollen das.

Ich möchte nicht übertreiben und behaupten, dass die Investoren in Mönchengladbach Schlange stehen, aber viele – darunter beispielsweise IHK-Präsident Heinz Schmidt – betonen, dass es von Investorenseite ein großes Interesse an unserer Stadt gibt.
Das ist sicherlich nicht falsch. Das hängt zum einen mit dem überhitzten Markt in Düsseldorf zusammen, sodass sich Investoren inzwischen auch im Umland der Landeshauptstadt umschauen. Ich erfahre auch in persönlichen Gesprächen, in denen mir Investoren, die mich aus meiner Zeit in Düsseldorf kennen, sagen: Wir hatten Mönchengladbach immer auf dem Zettel, aber nie einen konkreten Ansatz, hier zu investieren. Deswegen ist Mönchengladbach als Invest-Standort in Rankings, in denen wir bislang selten in der Champions League agieren, viel besser gesetzt als vergleichbare Kommunen. Inzwischen herrscht der Glaube, dass in Mönchengladbach in den kommenden Jahren etwas passieren kann.

„Die Textil-Akademie ist auch ein Bekenntnis zur Stadt“

Abgesehen von der City Ost gibt es noch einige weitere spannende Areale, die es in den kommenden Jahren zu entwickeln gilt, etwa das Polizei-Gelände vis à vis zur Hochschule Niederrhein. Was stellen Sie sich hier idealerweise vor?
Der Masterplan hat drei Schwerpunkte: die Mönchengladbacher Innenstadt, Rheydt und das Hochschulgelände als verbindende Achse. Aus dem Anspruch, einen echten Hochschul-Campus zu entwickeln, ergibt sich meine Wunschvorstellung: Alles, was hochschul-affin ist, was mit Bildung und Ausbildung zu tun hat und den Hochschulstandort stärkt, gehört hierhin. Auch die Aktivitäten von Herrn Königs (Ralf Königs, Geschäftsführer AUNDE, Anm. d. Red.) hinsichtlich der Textil-Akademie sind zu begrüßen und genau die stärkenden Elemente, die wir auf diesem Areal brauchen, weil sie auch ein Bekenntnis zur Stadt sind.

Ist die Hochschule ein Pfund, mit dem Mönchengladbach noch viel offensiver wuchern müsste?
Es versuchen viele Städte, mit ihrer Hochschule oder Universität zu werben. Ich glaube, Gladbach hat einen sehr guten Ruf als Textilstandort. Textilstadt Mönchengladbach – das gilt auch heute noch. Alle Beteiligten und Verantwortlichen tun schon das, was sie können, um die Hochschule so gut wie möglich zu positionieren. Ich würde versuchen – wieder über die Leitidee der Wachsenden Stadt – über Arbeitsplatz- und Ausbildungsangebote mehr junge Leute anzusprechen, die hier nicht nur ein schönes Wohnumfeld vorfinden sollen, sondern auch attraktive Studien- und Arbeitsplätze. Es gibt in Mönchengladbach ein studentisches Leben und Flair, aber eine klassische Studentenstadt stellt man sich anders vor.

„An zwei oder drei Stellen krempeln wir auch noch die Altstadt um“

Dafür braucht man vielleicht auch eine attraktivere Altstadt.
Daran arbeiten wir. Die Altstadt-Initiative hat kürzlich ihre Pläne zum Beleuchtungskonzept für den Sonnenberg vorgestellt, da waren einige tolle Sachen dabei. Wir unterstützen die Initiative im Rahmen unserer Möglichkeiten. Das integrierte Handlungskonzept Alt-Mönchengladbach – das Pendant zur Sozialen Stadt Rheydt – wird den Bereich der Altstadt umschließen. Hier gehen wir von Fördermaßnahmen in zweistelliger Millionenhöhe aus. Meine Gespräche mit Eigentümern, die dort aktiv sind, ergaben die Aussicht auf einige Grundstückskumulationen, in die ich große Hoffnungen setze. Das gibt es zwei oder drei Stellen, wo ich sage: Da krempeln wir auch noch die Altstadt um. Konkret wird das aber erst 2017.

Eine attraktive Mönchengladbacher Altstadt muss auch sicher sein. Viele meiden den Bereich, weil sie Angst haben, körperliche Auseinandersetzungen zu erleben.
Deswegen ist es auch gut, dass sich gleich mehrere Institutionen und Initiativen um dieses Thema kümmern. Sauberkeit, Sicherheit, Ordnung sind ganz elementare Bausteine, die nicht nur für Einwohner, sondern auch für Besucher ganz wichtig sind.

Stichwort Sauberkeit: In vier Jahren ist es schon soweit, dann wird man an den Ortseingängen von Mönchengladbach Banner mit der Aufschrift „Sauberste Stadt in NRW“ finden, so zumindest das plakative Ziel der Großen Koalition – in Ihren Augen ein realistisches?
Ich kann das Ziel verstehen, das dahinter steckt. Die Gründung der AöR, das Bekenntnis der Politik und der Stadtspitze zu sagen: Ja, wir geben Geld für die Sauberkeit aus, war wie erwähnt ein wichtiges Zeichen. Und Sauberkeit ist eine ganz elementare Voraussetzung, um Investoren in die Stadt zu holen. Im Prinzip ist das eine begleitende, notwendige stadtplanerische Maßnahme. Noch einmal: Wenn es in einer Stadt sauber ist und es ein Gefühl der Sicherheit gibt, dann gewinnt man Investoren, dann gewinnt man Bürger, die dauerhaft und nicht nur notgedrungen hier bleiben wollen.

„Seasons ist DAS Projekt schlechthin“

Zum Schluss unseres Gesprächs noch ein Wort zur Vision „Seasons“, den Freizeitpark, den möglicherweise Investoren für 1,4 Milliarden Euro im JHQ-Gelände realisieren wollen. Wie ist der Stand der Dinge?
Ich mache keinen Hehl daraus, dass zwischen allen Beteiligten, und das sind jetzt insbesondere Investor und Grundstückseigentümer BImA, intensive Gespräche stattfinden, die wir fleißig moderieren und bei denen wir den Druck hochhalten. Denn ich habe keine Lust, mit diesem Thema jahrelang über den Acker zu ziehen. Im ersten Halbjahr 2016 muss klar sein, wohin die Reise geht. Bis dahin muss die BImA ihre Vorstellungen von der Wertigkeit des Grundstücks festgelegt haben und der Investor erklären, ob er bereit ist, diesen Preis zu zahlen. Diese Gespräche laufen. Wir als Stadt begleiten diesen Prozess sehr eng, denn „Seasons“ ist mehr als wichtig – es ist DAS Projekt schlechthin! Man muss sich einmal vorstellen, was passieren würde, wenn dieser Freizeitpark tatsächlich so käme. Mönchengladbach würde in einem Atemzug mit Weltstädten wie Paris oder Los Angeles genannt. Allein vom Werbeeffekt wäre das unbezahlbar. Und wie viele Primär- und Sekundär-Arbeitsplätze dadurch entstünden: hunderte, tausende.

Angesichts dieser Dimensionen tun sich immer noch viele Mönchengladbacher schwer, diese Vision als Chance zu sehen. Was sagen Sie den Skeptikern?
Denen sagt man am besten: Wenn ihr schon länger hier seid, habt ihr doch einen guten Rückblick auf die Chancen, die ihr schon vertan habt. Beispiele gibt es in dieser Hinsicht genug.

Mit Dr. Gregor Bonin sprach Redakteur Jan Finken

PERSÖNLICH
Mit breiter Mehrheit hat der Rat in seiner Sitzung am 23. September 2015 Dr. Gregor Bonin zum neuen Baudezernenten der Stadt gewählt. Am 2. April 1960 in Münster geboren, studierte Bonin von 1981 bis 1988 an der RWTH Aachen Architektur mit dem Schwerpunkt Städtebau. 1992 erfolgte seine Promotion über die städtebauliche Bedeutung einer Universität am Beispiel der Stadt Münster. Von 1993 bis 2003 arbeitete Bonin im Stadtplanungsamt der Landeshauptstadt Düsseldorf, von 2004 bis 2006 dort als Referent des Oberbürgermeisters. 2006 wählte ihn der Düsseldorfer Stadtrat zum Beigeordneten der Landeshauptstadt für Planen, Bauen und Liegenschaften. 2014 erfolgte seine Wiederwahl, aber nur ein Jahr später entschied sich Bonin, das Amt in seiner Wahlheimat anzutreten.