Niederrhein. Die wirtschaftlich angespannte Lage derzeit dürfte zu mehr Zahlungsausfällen in Mönchengladbach führen – das zeigt das aktuelle Risikobarometer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein und der Creditreform Düsseldorf/Neuss. „Aktuell sind die Ausfallraten in der Vitusstadt niedrig“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz. „Für das kommende Jahr gehen wir allerdings von einer Steigerung aus.“ Im Ergebnis fällt außerdem auf, dass die Werte in Mönchengladbach negativer sind als im Schnitt auf Bundesebene und auch als in den anderen Teilregionen im IHK-Bezirk. André Becker, Mitglied der Geschäftsleitung Creditreform Düsseldorf/Neuss, ergänzt: „Zudem ist der durchschnittliche Zahlungsverzug der Unternehmen zuletzt gestiegen und damit deutlich höher als vor Beginn der Krisen im Jahr 2019.“
Die Lage der Betriebe ist ambivalent: Die Energiekrise hat zu deutlichen Kostensteigerungen bei den Unternehmen geführt. Allerdings blicken viele von der Corona-Pandemie betroffene Branchen auf eine gute Nachfrage in den vergangenen Monaten zurück. „Mit Stichtag 30. Juni haben sich die höheren Kosten noch nicht bei den Ausfallraten bemerkbar gemacht. Sie sind bis dahin auf einem niedrigen Niveau geblieben“, so Becker. In Mönchengladbach liegt die Ausfallrate bei 1,61 Prozent. Zum Vergleich: Der entsprechende Wert für Nordrhein-Westfalen liegt bei 1,14 Prozent, für Deutschland bei 1,06 Prozent. Steinmetz warnt allerdings vor einer zu positiven Bewertung, da in die Berechnung eben nur die Ausfälle bis Ende Juni eingeflossen sind: „Gerade bei kleineren Betrieben kann es aufgrund der hohen Kosten in diesem Winter zu einem Kipppunkt kommen, an dem sich eine Fortführung des Betriebs nicht mehr lohnt. Nur noch 58 Prozent der Unternehmen beschreiben ihre Finanzlage als unproblematisch. Vor einem Jahr waren es noch mehr als zwei Drittel.“
Chris Proios von der Initiative Konjunkturforschung Regional weist auf die Unterschiede in den Branchen hin. „Das Verkehrsgewerbe hat in der Region die höchste Ausfallquote. Die Unternehmen sind seit Anfang des Jahres ganz besonders von den hohen Kraftstoffpreisen betroffen.““ Dies ist für diese Branche mit geringen Gewinnmargen und vielfältigen weiteren Problemen, wie zum Beispiel dem Fahrermangel, zu einem schwerwiegenden Problem geworden. In Mönchengladbach fällt die hohe Ausfallrate bei der Bauwirtschaft auf, und auch das Gastgewerbe weist nach wie vor – im Vergleich zur Gesamtwirtschaft – überdurchschnittlich hohe Ausfallraten auf.
Während unterschiedliche Ausfallraten zwischen der Region Mittlerer Niederrhein und Deutschland im vergangenen Jahr insbesondere auf kleine und mittlere Unternehmen zurückzuführen waren, hat sich dieses Bild nun etwas verändert. Auch bei den Unternehmen mit mehr als fünf Millionen Euro Jahresumsatz sind die Ausfallraten am Mittleren Niederrhein höher. In drei der vier Teilregionen sind die Ausfallraten bei den umsatzstärksten Firmen von 2021 zu 2022 gestiegen – so auch in Mönchengladbach. „Das sind in der Regel die mitarbeiterstärksten Betriebe“, sagt Steinmetz, der daher negative Folgen für den Arbeitsmarkt durch die höheren Ausfallraten nicht mehr ausschließt. „Gleichwohl bleiben die Jobchancen in der Region gut, weil viele Betriebe aufgrund des Fachkräftemangels nach qualifizierten Mitarbeitern suchen.“
Chris Proios bilanziert: „Zur Krise auf der Kostenseite der Unternehmen passt auch das schlechtere Zahlungsverhalten im Vergleich zum Vorkrisenniveau.“ In Mönchengladbach lag der durchschnittliche Zahlungsverzug zuletzt bei 16,21 Tagen und damit höher als im Jahr 2019 mit 15,02 Tagen. Proios weist darauf hin, dass die Verzugsdauer seit Beginn der Krisen gestiegen ist. „Während der Corona-Pandemie hatten auch die umfangreichen Wirtschaftshilfen dafür gesorgt, dass das Zahlungsverhalten keinen größeren Schaden genommen hat. Ob dies in dieser Energiepreiskrise auch so sein wird, hängt von der Ausgestaltung der Hilfen durch die Bundesregierung ab.“
Nach derzeitigem Stand dürfte sich die Entwicklung der Ausfallraten in Mönchengladbach im kommenden Jahr leicht verschlechtern: „Die Creditreform-Prognosedaten zeigen, dass wir von einem Anstieg der Ausfälle ausgehen müssen, der jedoch hinter dem Anstieg in den anderen Teilregionen zurückbleibt“, erklärt Becker. „Für Mönchengladbach gehen die Rechenmodelle zurzeit von einer Ausfallrate von 1,93 aus.“ „Unser aktueller Konjunkturbericht hat gezeigt, dass die Unternehmen damit rechnen, dass ihnen das Schlimmste noch bevorsteht. Die Umsetzung der von der Bundesregierung angekündigten Gegenmaßnahmen, wie zum Beispiel die Gaspreisbremse, müssen so beschleunigt werden, dass die Wirtschaft zu Jahresbeginn bei den Energiekosten Entlastungen spürt“, fordert Steinmetz.
Bildtext: Sie stellten das aktuelle Risikobarometer vor (v.l.): Gregor Werkle (Leiter Wirtschaftspolitik der IHK Mittlerer Niederrhein), Chris Proios (Initiative Konjunkturforschung Regional), André Becker (Mitglied der Geschäftsleitung Creditreform Düsseldorf/Neuss) und Jürgen Steinmetz (Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein).
Foto: IHK