Wenn wir die multiplen Krisen der letzten Monate und das Tempo betrachten, mit der vormals Unmögliches plötzlich unseren Alltag prägt, ist schnell klar: Wir sind in der vielzitierten VUCA-Welt angekommen. Zunehmend erleben wir, dass Vorhersagen und Bewertungen unsicher oder mehrdeutig sind und keine klaren „Wenn-Dann-Aussagen“ zulassen. In dieser Dynamik und Komplexität der Entwicklungen werden so akademisch klingende Vokabeln wie Volatilität (Schwankungsbreite) und Ambiguität (Mehrdeutigkeit) real begreiflich.
Nur, warum scheinen viele Organisationen von den Effekten weiterhin so überrascht? Eine Antwort könnte sein, dass wir uns lange angewöhnt haben, uns eine Welt vorzuspielen, die voraussagbar, verlässlich und damit sicher scheint. Privat planen und buchen wir Urlaube bereits Jahre im Voraus und im Organisationskontext haben wir gelernt, regelmäßig Budgets, Jahrespläne, rollierende Vorhersagen abzugeben und letztlich unser Jahresergebnis bereits im Voraus zu kennen. An vielen Stellen haben wir unser Verhalten an der Grundannahme ausgerichtet: „Es gibt Sicherheit und wenn wir uns anstrengen, dann können wir gute Pläne und Vorhersagen machen“.
Wenn wir, angesichts der aktuellen Ereignisketten, nicht weiter abwarten wollen, bis endlich wieder ein ruhiger Zustand erreicht wird, sondern wir die Erkenntnis gewinnen, dass das neue Normal nicht wie das ‚alte Normal‘ sein wird, dann ist es möglich unser Handeln an einer neuen Grundannahme auszurichten: „Unsere Welt ist VUCA – und wir müssen bewusst mit Unsicherheiten, Abweichungen und vielfältigen Interdependenzen umgehen.“
Im Kontext von Resilienz ist, und das gilt insbesondere auch für Unternehmen, das Anerkennen von und Handeln nach dieser anderen Grundannahme entscheidend. Oft wird die Verantwortung für Anpassungsfähigkeit und Robustheit allein auf das Individuum abgewälzt, und ausgeblendet, dass Organisationen Rahmenbedingungen gestalten und erhalten müssen, mit denen es gemeinsam gelingt, kritische Ereignisse abzufedern und die unternehmerische Agilität in veränderten externen Entwicklungen zu unterstützen und vorzubereiten.
Mit Blick auf die großen Trends, die schon länger den Diskurs zeitgemäßer Managementkonzepte bestimmen, fällt auf, dass diese vielleicht manchmal etwas zu früh und zu gehypt aufkamen, gleichzeitig heute aber hochgradig Sinn machen.
• Vertrauen und psychologische Sicherheit sind grundlegende Bedingungen, um in einer unsicheren Welt zu agieren. Gemeinsam legen sie nicht nur die Basis für einen stabilen Umgang miteinander, sondern eröffnen die Chance, aus den unvermeidlichen Fehlern und Abweichungen gemeinsam zu lernen. Psychologische Sicherheit beschreibt die Überzeugung, dass Fehler in einem Team oder einer Organisation frei von negativen Sanktionen angesprochen werden können.
• Agilität und darauf abzielende Arbeitsweisen sind eine hervorragende Antwort auf die uns umgebende Dynamik. Agile Konzepte helfen, um ständig im Austausch über den nächsten überschaubaren Schritt zu bleiben.
• Sinn und Werte geben eine klare Orientierung. Auch Agilität benötigt eine Zielrichtung und wenn das Ziel nicht immer klar zu operationalisieren ist, dann bieten in jedem Fall der Purpose und die gemeinsamen Werte einer Organisation die notwendige Leitplanke.
• Transformationsfähigkeit ist die Kernkompetenz zukunftsfähiger Organisation. Wenn wir uns als Organisation gemeinsam fragen, was wir aus den Veränderungen der vergangenen Jahre lernen und wie uns das hilft, gut durch die Veränderungen der nächsten Jahre zu navigieren, dann entwickelt sich in Organisationen ein Bewusstsein für eine kollektive Transformationsfähigkeit. Dabei ist es wichtig, Transformationen auch in ihrer jeweiligen Tiefe zu verstehen. Es geht nicht einfach um eine Veränderung, bei der zum Status Quo etwas hinzukommt oder wegfällt, sondern um einen Wandel, der die DNA unseres Wirtschaftens und Zusammenlebens verändert. Die Transformationen, die wir gerade erleben, werden nur gelingen, wenn wir neue Grundannahmen und Überzeugungen entwickeln. Genauso wie die neue Grundannahme, dass unsere Welt „unsicher“ im Sinne von unvorhersagbar ist.
Frederick Laloux beschreibt mit der Teal Organization eine Organisationskultur, die durch Sinngebung, Ganzheitlichkeit und Selbstorganisation die optimale Antwort auf die VUCA-Rahmenbedingungen liefert. Auch wenn er von seinen Kritikern als romantischer Träumer belächelt wurde, wird immer deutlicher, dass genau in der konsequenten Ausrichtung auf
• Sinnhaftigkeit des Handelns die Klarheit liegt, die wir als Orientierung benötigen.
• Ganzheitlichkeit, der (zwischen-)menschliche Anteil für Vertrauen und psychologische Sicherheit liegt, die wir benötigen, um gemeinsam Transformationen zu begegnen.
• Selbstorganisation, die agile Anpassung an relevante Rahmenbedingungen gelingt.
Der wichtigste Beitrag zur Resilienz in Organisationen scheint der zu sein, die vorhandenen Konzepte zu einem gemeinsamen, für das jeweilige Unternehmen passenden, Struktur- und Handlungsrahmen zusammenzufügen, in dem die Balance zwischen Erneuerung und Erhaltung gelingt. Der Startpunkt für diesen Kulturwandel sollte auf jeden Fall die deutliche Verbreitung der elementaren Botschaft sein: „Unsere Welt ist VUCA und anstatt so zu tun, als seien unsere alten Konzepte weiterhin wirksam, begegnen wir den VUCA-Effekten gezielt.“
Resilienz fällt nicht vom Himmel – sie ist eine Kompetenz, die gefördert und trainiert werden kann. Unsere Erfahrungen und Ideen zur Stärkung der Team-Resilienz haben wir in einem Whitepaper zusammengestellt. Dieser QR-Code führt zum Download:
DER EXPERTE
Marc Chmielewski ist Gründer und Geschäftsführer der Movendo Consulting GmbH. Gemeinsam mit seinem 60-köpfigen internationalen Beraterteam gestaltet er Führungskräfteentwicklungen und Transformationsprozesse, mit denen sich DAX-Konzerne und Mittelständler fit für ihre Zukunft machen. Mit Sitz in Holzminden und Bochum sowie einer Niederlassung in Sao Paulo hat sich Movendo als Beratung einen weltweiten Namen gemacht. Movendo ist portugiesisch, bedeutet: „In Bewegung sein“ und steht entsprechend dafür, Menschen und Organisationen in Bewegung zu bringen.