Mönchengladbach. Er ist einer der Väter des Masterplans, im kommenden Jahr feiert er seinen 65. Geburtstag. Deshalb möchte er demnächst etwas kürzer treten und den Generationswechsel einleiten: Architekt Fritz Otten (2. v. r.) hat mit seinem Büro die städtebauliche Entwicklung Mönchengladbachs in den vergangenen 20 Jahren maßgeblich mitgeprägt. Im ausführlichen Wirtschaftsstandort-Interview zusammen mit seinen Mitgesellschaftern Martin Dielen (2. v. l.) und Georg Gemmer (l.) spricht Otten über sein Herzensprojekt Markthalle, die zermürbende Bürokratie auf Landes- und Bundesebene – und stellt seinen Nachfolger (r.) vor.
Herr Otten, auf dem neuen Image-Flyer Ihres Architektur-Büros verlieren Sie nicht viele Worte: Das Deckblatt ziert der Satz „Im Westen was Neues”, innen sind Sie mit Ihren drei Kollegen abgebildet – ohne große Erklärung. Was hat es damit auf sich?
Fritz Otten: Ich werde Ende nächsten Jahres 65 Jahre alt. Und ich beschäftige mich seit langem mit der Frage, wie ich meine Nachfolge regele. Da waren natürlich meine beiden Partner, Georg Gemmer und Martin Dielen, meine ersten Ansprechpartner – die aber auch nicht so unheimlich viel jünger sind als ich… Gemeinsam haben wir dann entschieden, uns in der Geschäftsführung gleich um eine ganze Generation zu verjüngen. Auf der Suche nach einem geeigneten Kandidaten sind wir dann schnell bei Carsten Servaes gelandet, der schon einmal für unser Büro als Projektleiter und Architekt tätig war und mit 47 Jahren genau das richtige Alter hat. Ihn habe ich vor rund zwei Jahren angerufen und gefragt, ob er sich eine Rückkehr mit der Aussicht, in die Geschäftsführung aufzurücken, vorstellen könne. Wir waren uns schnell einig, und Carsten Servaes ist nun schon seit Mitte diesen Jahres weiterer Geschäftsführer unseres Unternehmens mit der Perspektive, die Lücke ganz zu füllen, wenn ich in dieser Funktion ausscheide. Gesellschafter unserer GmbH bleiben bis auf weiteres unverändert Herr Gemmer, Herr Dielen und ich.
Dann, Herr Servaes, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer neuen Herausforderung…!
Carsten Servaes: Vielen Dank, aber ich möchte direkt zu Beginn betonen, dass ich dann zwar die Geschäftsführung übernehmen werde, alle weitreichenden Entscheidungen aber wie bisher auf der Gesellschafterebene getroffen werden. Nicht zu vergessen, unser Mitarbeiter-Team, das wir auch weiterhin in viele Entscheidungsfindungsprozesse einbeziehen werden.
Apropos Team: Wie viele Mitarbeiter hat Otten Architekten derzeit?
Fritz Otten: 26.
Alle an diesem Standort?
Fritz Otten: Ja. Hier, wo wir gerade sitzen, befand sich früher ein Stall mit 135 Kühen. Hier ist also Platz genug – eine Dependance ist jedenfalls nicht geplant. (lacht)
„Ich werde auch weiterhin am Ball bleiben“
Fritz Otten
Herr Otten, was haben Sie sich denn für 2019, Ihr letztes Jahr im operativen Geschäft, vorgenommen? Wird es ein besonderes Jahr für Sie?
Fritz Otten: Ich beabsichtige nicht, meinen Beruf und mein Tun an den Nagel zu hängen! Ich werde auch weiterhin am Ball bleiben. Aber ich möchte mich auf die Kontakte und den Außenauftritt konzentrieren. Offengestanden hat mich die überbordende Bürokratie in den vergangenen Jahren zunehmend mürbe gemacht. Aber natürlich bin ich eins mit meinem Büro, schließlich gibt es das Büro OttenArchitekten in Raderbroich seit Januar 1986. Ich hatte eigentlich gehofft, das Jahr 2019 mit der Eröffnung der Markthalle auf dem Kapuzinerplatz abschließen zu können. Nach Stand der Dinge heute wird das wohl leider nicht ganz klappen.
Das heißt…?
Georg Gemmer: Planungsrechtlich sind alle Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Markthalle am vorgesehenen Standort gebaut werden kann. Verhandelt wird derzeit noch hinsichtlich der Betreiber, weswegen sich der offizielle Startschuss für den Baubeginn noch etwas verzögert. Wie es sich im Moment abzeichnet, werden wir mit dem Bau Mitte des Jahres beginnen können, die Fertigstellung ist für Mitte 2020 vorgesehen. Das passt dann zeitlich auch zu den Umbauplänen der Stadt, was den Kapuzinerplatz selbst angeht.
Fritz Otten: Es ist elementar wichtig für das Funktionieren der Markthalle, dass die richtigen Anbieter gefunden werden. Die konkreten Verhandlungen laufen mit einem Konsortium aus Investoren unter Führung des Mönchengladbacher Steuerberaters Jürgen Schiffer und einer Betreibergesellschaft, die die einzelnen Anbieter, die in der Markthalle zu finden sein sollen, zusammenstellt. Das bedarf sorgfältiger Auswahl. Vorgesehen sind derzeit zwölf bis 14 Anbieter, die in der Markthalle ihren Platz finden.
„Die Fertigstellung der Markthalle ist für Mitte 2020 vorgesehen“
Georg Gemmer
Die Markthalle ist bekanntlich eins Ihrer, wenn nicht das Lieblingsprojekt. Was steht bei Ihnen ansonsten aktuell auf der Agenda?
Fritz Otten: Die Markthalle ist derzeit im Grunde fast unser kleinstes Projekt, wenn auch wahrscheinlich das mit dem höchsten Symbolcharakter in Mönchengladbach – und auch für uns, denn wir arbeiten wirklich schon einige Jahre an diesem Projekt. So etwas kann man nur machen, wenn man selber vernarrt darin ist. Es gibt kein Projekt in unserer über 30-jährigen Firmengeschichte, bei dem wir im Vorfeld so lange am Ball geblieben sind wie bei der Markthalle.
Was sind denn Ihre anderen aktuellen Projekte?
Martin Dielen: Auf dem Gelände der Boetzelen Höfe entwickeln wir beispielsweise gerade die Pläne für ein Design-Hotel an der Künkelstraße, wodurch wir hier die städtebauliche Lücke an der Straßenfront schließen. Geplant sind rund 140 Zimmer in Verbindung mit Büroflächen. Im Erdgeschoss des Hotels sind unterschiedliche Gastronomieangebote vorgesehen. Wir hoffen hier, im kommenden Jahr mit dem Bau beginnen zu können. Wir planen mit einer Bauzeit von anderthalb Jahren.
Wer ist hier der Investor?
Fritz Otten: Der kommt aus Berlin, aber der Geschäftsführer des betreffenden Unternehmens hat Mönchengladbacher Hintergrund – das spielt manchmal bei solchen Entscheidungen durchaus eine Rolle…
Martin Dielen: Unsere architektonische Konzeption mit den schräg abgewinkelten Gebäuderiegeln ist bewusst darauf ausgelegt, zusammen mit den zurückliegenden Bestandsgebäuden eine attraktive gewerbliche Hofsituation aus alt und neu zu schaffen. Das markante Gebäude mit seiner modernen Ziegelsteinfassade soll als architektonischer Blickfang auf dem Weg in die Innenstadt dienen.
Ihr Hotel an der Künkelstraße, im Januar eröffnet unter anderem das Hotel von Borussia, auf dem Abteiberg soll ein Hotel entstehen – hat Mönchengladbach bald mehr Hotelbetten, als es benötigt?
Fritz Otten: Die Tatsache, dass sich Hotelbetreiber und Investoren in dieser Hinsicht für Mönchengladbach interessieren und gezielt auf uns zukommen, spricht dagegen. Tatsächlich beschäftigen wir uns mit den Plänen für ein weiteres Hotel in unserer Stadt; diese sind aber zurzeit noch nicht spruchreif. Ich glaube auch nicht, dass wir demnächst ein Überangebot haben werden, weil die Hotels verschiedene Zielgruppen ansprechen. Nehmen wir das Beispiel Borussia: Da ist alles auf den Verein, auf Fußball und die Veranstaltungen, die bei Borussia stattfinden können, ausgerichtet. Auch die Ausrichtung, was das Hotel auf dem Abteiberg und die Integration von Haus Erholung angeht, halte ich an dieser Stelle für genau richtig. Alles in allem wird man sich da nicht ins Gehege kommen.
Apropos Hotel Abteiberg: Die politische Opposition hat moniert, dass die Pläne der Stadtverwaltung für diesen Komplex bereits auf der jüngsten EXPO REAL-Messe vorgestellt wurden, ohne dass es einen Ratsbeschluss in dieser Sache gab.
Martin Dielen: Die EXPO ist für alle Aussteller vor allem auch ein riesiges Stimmungsbarometer. Hier kann man einschätzen, ob ein Projekt Aussicht auf Erfolg hat oder nicht. Die Messe in München, die wichtigste Immobilienmesse im internationalen Markt, findet nur einmal im Jahr statt. Daher muss eine Stadt wie Mönchengladbach sehen, dass sie dort ihre Chancen nutzt. Dort ein Projekt vorzustellen, heißt ja nicht, dass man es am Ende auch 1:1 so umsetzt. Man muss sich nur einmal vor Augen führen, wie sich die Wahrnehmung Mönchengladbachs bei in- und ausländischen Investoren verändert hat, seitdem die Stadt auf der EXPO REAL im Jahr 2011 den Masterplan vorgestellt hat. Viele, wenn nicht sogar die meisten aktuellen Projekte sind daraus entstanden.
Fritz Otten: Ich persönlich hatte anfangs nicht damit gerechnet, dass ein Masterplan eine solche Bedeutung für die künftige Stadtentwicklung Mönchengladbachs bekommen könnte. Besonders beeindruckt hat mich die Tatsache, dass wir zu Beginn mehr als eine Million Euro sowohl von mittelständischen, als auch von großen Unternehmen, die in der Regel international tätig sind, ihre Wurzeln aber in Gladbach haben, einsammeln konnten. Das zeigt, wie wichtig diesen Unternehmen die Entwicklung ihrer Heimatstadt ist.
Dennoch gibt es einige kritische Stimmen, die bemängeln, dass seit Jahren Pläne für verschiedene Projekte vorgestellt würden, es aber kaum Baukräne zu sehen gebe.
Fritz Otten: Mönchengladbach hat es noch nicht erlebt, dass auf solch breiter Front Angebote für Investoren geschaffen werden. Und man hätte es sich in dieser Stadt vorher niemals vorstellen können, dass für ein Areal, wie das Maria Hilf bereits Pläne für die künftige Nutzung vorgestellt wurden, während der Krankenhausbetrieb dort noch in vollem Gange war. Es gab für dieses nicht gerade kleine Areal des wohl relevantesten Wohngebiets Gladbachs in einem ganz frühen Stadium konkrete Zeitangaben, wann abgerissen wird und was dort Neues entstehen soll. Das hat es in dieser Stadt – zumindest so lange ich hier arbeite– noch nie gegeben.
Carsten Servaes: Viele neigen ja dazu, den Städten Vorwürfe zu machen, wenn ein Bauprojekt vermeintlich nicht schnell genug vorangeht. Sie berücksichtigen dabei aber nicht, dass Kommunen an die gesetzlichen Vorgaben von Land und Bund gebunden sind. An diesen oft langwierigen Verfahren kommt keine Stadt vorbei. Mönchengladbach ist derzeit eine der Städte, die beweisen, dass man bei der Schaffung von Baurecht trotz bürokratischer Hürden schnell sein kann.
Fritz Otten: Hier darf ich unseren Baudezernenten Dr. Gregor Bonin lobend erwähnen, der sicher auch ein Stück weit wegen der Chancen, die der Masterplan eröffnet hat, aus Düsseldorf nach Mönchengladbach gekommen ist und der eine große Dynamik in die Stadtverwaltung gebracht hat. Er hat mit seinem Planungsdezernat das Stadtentwicklungskonzept MG + wachsende Stadt entwickelt, welches in städtebaulicher Hinsicht auf den Masterplan aufbaut. Er arbeitet mit großer Begeisterung für die Sache, und das überträgt sich auf die Mitarbeiter in seinem Umfeld. Man weiß dort auch, wie man Fördergelder mobilisiert – für die Entwicklung einer Stadt ist das enorm wichtig. Grundsätzlich würde ich mir wünschen, dass die überbordende Bürokratie bei Land und Bund abgebaut wird. Genehmigungsverfahren dauern ja inzwischen länger als die eigentliche Bauphase!
Was auffällt, ist, dass viele der Investoren in Mönchengladbach auch aus Mönchengladbach kommen, auch wenn diese oft nicht öffentlich in Erscheinung treten. Ein gutes und wichtiges Zeichen, oder?
Carsten Servaes: Absolut. Eins von vielen Beispielen ist das Unternehmen Fynch Hatton, ein Ur-Gladbacher Unternehmen, das inzwischen international unterwegs ist und für das wir gerade ein neues Logistik- und Bürogebäude an der Alsstraße bauen. Oder die Firma Alberto, für die wir vor einigen Jahren das markante Bürogebäude inklusive Logisitk an der Fliethstraße, mitten in der Stadt, planen durften. Für beide Unternehmen wäre es einfacher und kostengünstiger gewesen, irgendwo auf der grünen Wiese zu bauen, aber die Inhaber legten großen Wert darauf, in Mönchengladbach zu bleiben. Mal war es der Blick auf den Abteiberg, in beiden Fällen der Wunsch, die Tradition an der Wiege der Firma fortzusetzen. Das ist, glaube ich, das deutlichste Zeichen der Verbundenheit mit seiner Heimatstadt, die viele Gladbacher Firmen stolz zum Ausdruck bringen.
Lassen Sie uns einen Blick auf Mönchengladbach im Jahr 2025 werfen: Welches Gesicht wird unsere Stadt dann tragen?
Fritz Otten: Das hängt ganz entscheidend davon ab, wer die nächsten Bälle spielen und wer sie aufnehmen wird. Nehmen wir die obere Hindenburgstraße: Dort hat die Stadt inzwischen mehrere Objekte erworben, um hier die Stadtentwicklung weiter voran zu treiben und eine Verbindung zum Museum Abteiberg zu schaffen. Den gelungenen Auftakt hat der Kollege Dr. Burkhard Schrammen mit seinem Stadtmauerhaus gemacht. Für die Oberstadt ist es enorm wichtig, ein stimmiges städtebauliches Ensemble vom Gelände Maria Hilf bis zum Museum Abteiberg zu entwickeln. Für uns ist es wichtig, dass die Pläne für Maria Hilf zügig umgesetzt werden, davon hängt nicht zuletzt auch der Erfolg der Markthalle ab – und natürlich von den Gladbachern!
Was heißt zügig?
Fritz Otten: Ich hoffe, dass im Jahr 2021 dort die ersten Mieter oder Eigentümer einziehen können.
Zum Abschluss noch einmal ein Blick auf Ihr Büro. Herr Servaes, was wird sich denn unter Ihrer Regie bei Otten Architekten alles ändern?
Carsten Servaes: Glücklicherweise sind hier seit langem viele Dinge im Lot, sodass man gar nicht viel ändern muss. Das ist übrigens nicht die exklusive Meinung der Geschäftsleitung, sondern auch die unserer Mitarbeiter, unter denen wir im vergangenen Jahr durch einen externen Berater eine anonyme Befragung durchführen ließen, um zu erfahren, was sie an unserer Stelle ändern würden. Das Ergebnis war überaus positiv, die Mitarbeiter sind sehr zufrieden mit ihren Aufgaben und der Atmosphäre am Arbeitsplatz. Aber es gab auch wertvolle Anregungen, und so haben wir in den vergangenen Monaten auch schon einiges investiert, was Interieur und insbesondere technisches Equipment angeht. Außerdem sind wir gerade dabei, die BIM-Prozesse bei uns zu implementieren.
Wofür steht BIM?
Georg Gemmer: BIM ist eine Abkürzung für Building Information Modeling. Das ist die digitale Datenbasis für die optimierte Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Gebäuden. Das Bauwerk entsteht dabei in der Planung als virtuelles Modell. Die Nutzung dieser Tools wird die Arbeitsweise von Architekten in den kommenden Jahren nachhaltig verändern. Im optimalen Fall können so alle am Bau Beteiligten an einem einzigen Modell arbeiten, und später kann das Gebäudemanagement ebenfalls auf diese Daten zurückgreifen
Herr Otten, Sie haben ja angekündigt, nicht komplett aus dem Unternehmen ausscheiden zu wollen, aber wenn Sie kürzertreten, haben Sie ja viel Zeit zur Verfügung. Was stellen Sie damit an?
Fritz Otten: Ich glaube nicht, dass mir langweilig wird. Ich habe zum Beispiel im vergangenen Jahr eine Gastwirtschaft in unmittelbarer Nachbarschaft erworben. Das ist die letzte Kneipe hier im Dorf, und ich wollte nicht, dass sie geschlossen wird. Dieser Ort der Begegnung muss für unser Dorf erhalten werden. Außerdem habe ich habe zwei Enkel, elf und zweieinhalb Jahre alt, mit denen ich sehr gerne mehr Zeit verbringen möchte.
Mit Fritz Otten, Martin Dielen, Georg Demmer und Carsten Servaes
sprach Wirtschaftsstandort-Redakteur Jan Finken
IM NETZ
www.ottenarchitekten.de
„So viele Angebote für Investoren hat es in dieser Stadt noch nie gegeben“
ist ein Beitrag aus der aktuellen Ausgabe von Wirtschaftsstandort Mönchengladbach.
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