Es gibt in kaum einem Rechtsgebiet so viele Veränderungen und Anpassungen wie im Arbeitsrecht. Aktuell hat sich der Europäische Gerichtshof ( EuGH ) am 6. November 2018 mit dem deutschen Urlaubsrecht befasst. Nach § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz ( BUrlG ) verfallen nicht genommene Urlaubsansprüche mit Ablauf des Kalenderjahres. Nur im Ausnahmefall, nämlich nur wenn dringende betriebliche oder in der Person des Mitarbeiters liegende Gründe vorliegen, konnte der Urlaubsanspruch auf das Folgejahr bis zum 31. März 2018 übertragen werden. Diese Regelung war für die Arbeitgeber eine Erleichterung, konnte doch die Personal- und Wirtschaftsplanung stichtagsbezogen vollzogen werden.
Das Bundesarbeitsgericht ( BAG ) hatte Zweifel hinsichtlich der Frage, ob diese deutsche Regelung mit europäischem Recht in Einklang steht und legte den Fall dem EUGH vor. Die Entscheidung aus Luxemburg kam prompt. In seiner Entscheidung vom 6. November 2018 befand der EuGH, dass ein automatischer Verfall von Urlaubsansprüchen zum Jahresende gegen vorrangiges Europarecht verstößt.
Allerdings machte der EuGH eine wichtige Einschränkung: Wenn der Arbeitgeber dafür sorgt, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls – förmlich auffordert, dies zu tun. Des Weiteren muss der Arbeitgeber darauf hinweisen, dass – falls der Mitarbeiter den Urlaub nicht bis zum Jahresende nimmt – dieser verfallen wird. Die Beweislast für diesen förmlichen Vorgang liegt beim Arbeitgeber. Ob diese vom EuGH aufgezeigte Möglichkeit sich auch im deutschen Recht realisieren lässt, hängt davon ab, ob die derzeitige Regelung in § 7 Abs. 3 BUrlG sich in diesem Sinne auslegen lässt. Darüber hat nunmehr das BAG zu entscheiden, an das der Rechtsstreit wieder zur endgültigen Entscheidung verwiesen wurde. Sollte danach eine europarechtskonforme Auslegung nicht möglich sein, muss wohl der Gesetzgeber aktiv werden.
Gleichwohl ist zu empfehlen, dass Arbeitgeber alle Arbeitnehmer mit einem zeitlichen Vorlauf vor Jahresende förmlich auffordern, ihren Resturlaub zu nehmen und sie gleichzeitig über die Möglichkeit eines drohenden Verfalls zu belehren. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtsprechung des EuGH nur für den gesetzlichen Mindesturlaub von vier Wochen, das heißt bei einer Vollzeitkraft von 20 Tagen, gilt. Für den weitergehenden vertraglichen Mehrurlaub dürfte die Rechtsprechung nur dann gelten, wenn arbeitsvertraglich oder in einer Betriebsvereinbarung keine andere Regelung getroffen ist.
Eine weitere wichtige Entscheidung hat das BAG am 18. September 2016 getroffen. In vielen Arbeitsverträgen findet sich eine Klausel, wonach Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nach Ablauf einer im Arbeitsvertrag definierten Frist (mindestens drei Monate) verfallen, wenn sie nicht vor Ablauf der Frist (schriftlich) geltend gemacht werden. Da es sich bei den Arbeitsverträgen meistens um Vertragswerke handelt, die vorformuliert sind, ist damit der Inhaltskontrolle unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten eröffnet. Eine Verfallklausel, die nicht die Ansprüche nach dem Mindestlohngesetz ausschließt, verstößt gegen gesetzliche Vorschriften und ist damit insgesamt unwirksam, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31. Dezember 2014 geschlossen wurde. Eine derartige Klausel ist nach Auffassung des BAG nicht klar und verständlich, weil sie entgegen § 3 des Mindestlohngesetzes den gesetzlichen Mindestlohn nicht aus dem Anwendungsbereich des Verfalls ausnimmt. Auch wenn das Begehren des Mitarbeiters nichts mit seinem Lohnanspruch zu tun hat, kann sich der Arbeitgeber nicht auf die Verfallklausel berufen, wenn diese nicht Ansprüche nach dem Mindestlohngesetz aus dem Anwendungsbereich ausschließt.
Liegt eine solche intransparente Klausel vor, muss – wenn der Arbeitgeber einen Verfall in Zukunft zur Anwendung bringen will – diese neu formuliert mit dem Mitarbeiter vereinbart werden. Ob eine Verfallklausel generell sinnvoll ist, kann durchaus bezweifelt werden. Vorteilhaft ist sicherlich, dass die Vertragsparteien zeitnah eine Klärung strittiger Punkte herbeiführen müssen. Andererseits stellt die Verfallklausel aber auch für den Arbeitgeber eine Falle dar, wenn er sich nicht bewusst ist, dass er seine Ansprüche gegen den Mitarbeiter innerhalb der kurzen Frist geltend machen muss.
DER EXPERTE
Dr. Christoph Hartleb
Rechtsanwalt
vereidigter Buchprüfer
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„Recht: Urlaubsansprüche geltend machen!“ ist ein Beitrag aus
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