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"Uns soll kein Schüler ohne klare berufliche Perspektive verlassen" - Wirtschaftsstandort Niederrhein

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„Uns soll kein Schüler ohne klare berufliche Perspektive verlassen“


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Bundespreisverleihung „Starke Schule“ in Berlin (von links): Dr. Clemens Börsig (Deutsche Bank Stiftung), Angelika Eller-Hofmann (Schulleiterin), Dr. h.c. Frank-J. Weise (Gemeinnützige Hertie-Stiftung), Sascha-Antonia Reese (Schülerin), Gerhard Braun (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeiterverbände), Joachim Gauck (Bundespräsident), Thomas Christians (Schüler). Foto: Starke Schule

Nettetal. Seit über zwei Jahren ist Roland Schiefelbein im Ruhestand, doch zieht es ihn regelmäßig zurück an die städtische Gesamtschule Nettetal. Bei dem pensionierten Schulleiter ist jedoch nicht Sehnsucht nach seiner alten Wirkungsstätte das Motiv, sondern eine Herzensangelegenheit: Schiefelbein war 2007 maßgeblich an der Gründung
des Vereins „baseL“ beteiligt. „Der Verein versteht sich als Selbstlernzentrum und Bildungsforum für die Berufsorientierung der Schüler und Schülerinnen an der Gesamtschule und inzwischen auch an der Nettetaler Realschule“, erläutert der Pädagoge. „Durch die direkten Kontakte zwischen Schülern und Wirtschaft, werden die
Berührungsängste der Jugendlichen mit wirtschaftlichen Einrichtungen abgebaut. Umgekehrt bietet sich den teilnehmenden Firmen und Betrieben die Möglichkeit, ihre Stärken zu zeigen und eine große Anzahl Ausbildungssuchender kennen zu lernen.“ Dies wiederum führe auf Seiten der Jugendlichen zu konkreteren Zielvorstellungen und realistischeren Plänen und somit letztlich auch zu weniger Ausbildungs- und Studienabbrüchen.

baseL – diese Abkürzung stand ursprünglich für „Bauantrag aktiviert Schüler, Eltern, Lehrer“. Hintergrund war die Errichtung neuer Räumlichkeiten auf dem Schulgelände,
wo zunächst nur die Unterbringung der Schulbibliothek vorgesehen war. „Weil uns der Bezug zur regionalen Wirtschaft und die Vermittlung unserer Schüler in Ausbildungsberufe aber schon immer wichtig war, konnte auch unser Verein hier eine Heimat finden“, erzählt Schiefelbein. Dank der Unterstützung der Nettetaler Handwerkerschaft und verschiedener Sponsoren wurde der Neubau realisiert, wo seitdem ungestört vom normalen Schulbetrieb intensive Beratungsgespräche mit den Schülern geführt werden können. Um den Sinn des Vereins besser wiederzugeben, steht „baseL“ heute neudeutsch für „Basic Learning“. „Unser Name ist heute immer ein
guter Einstieg in Gespräche mit Unternehmen und Institutionen“, schmunzelt Roland Schiefelbein. Und gerade die Unternehmen sind für den Verein die wichtigsten Ansprechpartner: Sie sollen überzeugt werden, dass „baseL“ ein wichtiger Baustein für die berufliche Zukunft von Jugendlichen aus Nettetal und der Umgebung
ist. „Allmählich erkennen auch die Betriebe das ganze Ausmaß des vielzitierten Fachkräftemangels. Mit unserem Engagement wollen wir diesem Trend entgegensteuern,
brauchen aber die Unterstützung der Unternehmen.“ Und dies in zweierlei Hinsicht: Zum einen sollen die Unternehmen offen für die Einstellung neuer Auszubildender sein, zum anderen ist der Verein auf finanzielle Unterstützung angewiesen. „Glücklicherweise erkennen immer mehr Firmen die Relevanz unserer Arbeit und unterstützen
uns mit Spenden“, freut sich der Direktor a.D.

Auch die Agentur für Arbeit stärkt das Wirken des Vereins, Förder- und Stiftungsgelder tragen zudem dazu bei, dass „baseL“ seine Mission aufrecht erhalten kann. Diese formuliert Roland Schiefelbein wie folgt: „Uns soll kein Schüler ohne eine klare berufliche Perspektive verlassen!“ Darum kümmern sich in erster Linie das Team von fünf Berufseinstiegsbegleitern, die auf Minijob-Basis angestellt sind, für die „baseL“ aber in erster Linie eine Herzensangelegenheit ist. „Unsere Mitarbeiter sind fast alle ehemalige Unternehmer, die wissen, wovon sie sprechen. Ganz wichtig ist, dass sie in einer anderen Rolle als die Lehrkräfte sind: Sie müssen die Schülerinnen und Schüler nicht bewerten und nicht erziehen, sondern können unvoreingenommen die Stärken der Jugendlichen herausfinden und fördern“, lächelt Schiefelbein, der sich im Vorstand des Vereins engagiert.

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Ein Team von fünf Berufseinstiegsbegleitern, die auf Minijob-Basis angestellt sind, kümmern sich im Auftrag von „baseL“ um die Beratung der Schüler. Foto: baseL

Das Coaching der Berufseinstiegsbegleiter umfasst die Betreuung von Jugendlichen, egal ob sie Eigeninitiative zeigen oder nicht. Die ermitteln den Stand der Berufswahlreife
der jeweiligen Schüler in Zusammenarbeit mit den Klassenlehrkräften, geben Hilfe bei der Erstellung von Bewerbungsunterlagen und bei der Kontaktaufnahme zu Firmen.
„Insbesondere Jugendliche ohne Unterstützung aus dem Elternhaus nutzen diese Form des regelmäßigen Coachings“, erläutert Schiefelbein. Die engmaschige Betreuung
durch Schule und „baseL“ hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass nur einzelne Jugendliche nicht zielgerichtet aus der Schule entlassen werden. „In der Regel verlassen etwa 30 Jugendliche die Schule nach der 10. Klasse mit einem Ausbildungsvertrag, etwa 60 Jugendliche besuchen die Oberstufe, und die restlichen gehen zielgerichtet in die verschiedenen Berufskollegs, weil der Besuch für den angestrebten Beruf sinnvoll oder nützlich ist“, nennt der ehemalige Rektor nicht ohne Stolz konkrete Zahlen.

Gleichwohl will Roland Schiefelbein nicht verhehlen, dass die Schüler selbst die „größte Baustelle“ bei der Planung der beruflichen Perspektive sind. „Viele haben schlichtweg
Angst vor dem beruflichen Alltag in einem Unternehmen und ziehen deshalb den Gang ans Berufskolleg vor, weil ihnen das Schulumfeld vertraut ist. Dass die Schüler meist
gar keine Lust mehr auf Fächer wie Mathematik oder Englisch haben, spielt bei ihrer Entscheidung dann keine Rolle mehr. Leider werden die Schüler durch ihre Eltern in diesem Entschluss noch bestärkt, frei nach dem Motto: ‚Besser Fach-Abi als gar kein Abi‘.“ Hier offenbare sich das Image-Problem, das das regionale Handwerk habe: „Eine berufliche Ausbildung zählt in der öffentlichen Wahrnehmung heute nicht mehr viel. Stattdessen folgen viele dem gesamtgesellschaftlichen Trend, dass man nur mit Abitur gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt habe.“ Dass diese Auffassung angesichts der aktuellen „Akademikerschwemme“ längst überholt ist, ist eine der Kernbotschaften von „baseL“. „Wir wollen die potenziellen Schulabgänger und auch deren Eltern davon überzeugen, dass eine solide Ausbildung oder ein Duales Studium für viele heute der bessere Weg wäre“, schließt Roland Schiefelbein.

– jfk

GESAMTSCHULE IST EINE „STARKE SCHULE“
Die Auszeichnung „Starke Schule“ gehört zu den wichtigsten bundesweiten Schulpreisen und wird alle zwei Jahre von der Bundesvereinigung der Arbeitgeber, der
Bundesagentur für Arbeit, der Deutsche Bank Stiftung und der gemeinnützigen  Hertie Stiftung vergeben. Im April 2015 wurde die Gesamtschule Nettetal von Bundespräsident Joachim Gauck im Rahmen der Bundespreisverleihung von „Starke Schule 2015“, dem größten deutschen Schulwettbewerb mit rund 650 teilnehmenden Schulen, im Historischen Museum in Berlin mit dem 3. Preis ausgezeichnet. Bei der Preisverleihung hatten Vertreter der Schülerversammlung die Gelegenheit, in fünf Minuten zu präsentieren, warum ihre Schule und ihre Angebote in den Klassen 5 bis 10 zum Übergang Schule-Beruf verdient auszuzeichnen seien. Dazu hatten sie einen vierminütigen Film gedreht. Auch haben die Vertreter der Gesamtschule ihre Einrichtung mit einem Poster, worauf acht Puzzelsteine mit Arbeitsschwerpunkten zu sehen sind, präsentiert. Mit ihren Ergebnissen gehört die Gesamtschule Nettetal zu den besten Lernorten des Landes. Dr. Clemens Börsig (Deutsche Bank Stiftung) stellte bei seiner Laudatio fest: „Ich bin mir sicher, dass wir von unserem Preisträger hin und wieder hören werden. Denn Stillstand ist für diese Schule ein Fremdwort. Sie versteht sich als lernende Institution, in die sich jeder mit seinen eigenen Ideen, Stärken und Kompetenzen einbringen soll.“

KONTAKT
baseL nettetal e.V.
Astrid Braun-Schmitz
Koordinatorin
von-Waldois-Straße 6
41334 Nettetal
0 21 53 / 13 96 867
info@base-l.de
www.base-l.de