Mönchengladbach. Er hat sich selbst die Beine gebrochen, um dem sicheren Tod zu entgehen, ein junger Bungee-Springer kam auf seiner Anlage ums Leben, er verlor alles, was er hatte. Heute ist Jochen Schweizer einer der erfolgreichsten Unternehmer Deutschlands. Über sein bewegtes Leben sprach der ehemalige Extremsportler jetzt im Hugo-Junkers-Hangar vor 200 Vertretern mittelständischer Unternehmen. Eingeladen hatten die Beteiligungsgesellschaft S-UBG AG aus Aachen und der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW).
„Seien Sie Unternehmer des eigenen Lebens“, rief der charismatische Schweizer dem Publikum zu. „Denken Sie immer daran, dass sich Chancen und Unsicherheit, Erfolg und Scheitern einander bedingen.“ Sätze, die das Leben von Jochen Schweizer, einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden durch die TV-Serie „Die Höhle der Löwen“, nicht besser beschreiben könnten.
Seine erste Leidenschaft war das Kajakfahren – sie ist es bis heute. Als echtem Draufgänger war ihm kein Alpenfluss zu wild, kein Wasserfall zu gefährlich. „Kajakfahren war meine Religion“, sagt Schweizer. Bis zu jenem verhängnisvollen 24. Mai 1984, als er sich mit der Bootsspitze voraus einen zwölf Meter hohen Wasserfall herunterstürzte und mit dem Bug im Boden stecken blieb – eine damals nicht seltene Situation, bei der etliche Kajakfahrer ihr Leben ließen. Nicht so Schweizer: Entgegen jeder menschlichen Logik brach er sich die Beine, um seiner eigenen Todesfalle Kajak zu entkommen. Vier Monate im Rollstuhl, ein Jahre Reha und ein Titanknie brachte ihm das ein. „Seitdem darf ich jeden Behindertenparkplatz benutzen“, scherzt er.
Diese Aktion machte Jochen Schweizer berühmt. Er wurde Stuntman in Willy Bogners Film „Feuer, Eis und Dynamit“ mit. Im Zuge der Dreharbeiten erfand er das Bungee-Springen und machte daraus in den nächsten Jahren ein richtiges Geschäft. Zuerst vermittelte Schweizer nur privat Bungeesprünge, dann erkannte er das Potenzial und eröffnete Zug um Zug immer neue Sprunganlagen. Am Floriansturm in Dortmund, dessen Schaft er gekauft und als gewaltige Werbefläche vermarktet hatte. Und hier geschah am 20. Juli 2003 das Unvorstellbare: Das unzerreißbare Seil riss, ein 31-jähriger Mann starb. Schweizer schloss sofort alle Sprunganlagen, als Unternehmer war er (vorerst) erledigt. Seine Werbeverträge wurden gekündigt, der Cashflow brach zusammen, seine Agentur ließ sich nicht verkaufen. Eine wirtschaftliche Katastrophe, aber er betont: „Das Leid der Eltern, die ihren Sohn verloren haben, ist unvergleichlich viel schlimmer als mein Kampf ums wirtschaftliche Überleben.“
Er verkaufte alles, was er hatte, und schaffte es, sich mit den Gläubigern zu einigen. Er wurde arm, aber schuldenfrei. Ein Jahr nach dem schrecklichen Unfall entwickelte Jochen Schweizer dann die Geschäftsidee, die ihm 2015 einen Umsatz von 70 Millionen Euro bescherte: der Handel mit Erlebnissen im Internet. Investoren für diese Idee fand er zunächst nicht, also entwickelte er die entsprechende Webseite selbst. Im Dezember 2004 machte er schon 180.000 Euro Umsatz, zehn Jahre später waren es 18 Millionen Euro. Heute ist er Chef eines Unternehmens mit 500 Mitarbeitern und einer der Investoren, die in der Show „Die Höhle der Löwen“ junge Gründer fördern.
Egal ob im Sport oder in der Wirtschaft, Schweizer hat erkannt: „Die meisten Ängste sind irrational und begrenzen uns nur. Ängste hindern uns daran, das zu sein, wofür wir geboren sind: frei zu sein.“ Veränderungen gebe es auch, wenn man nichts tue – und dann solle man doch besser Einfluss auf die Zukunft nehmen. „Alles beginnt mit einem ersten Schritt. Man muss losgehen und die eigene Unsicherheit akzeptieren.“
-jfk / Fotos: Andreas Baum, S-UBG A