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„Arbeitgeber erschließen sich eine neue Zielgruppe“

 

Mönchengladbach. Für eine gelungene Integration in den Arbeitsmarkt ist eine qualifizierte Berufsausbildung die wichtigste Voraussetzung. Allerdings ist dies kaum realisierbar, wenn Familienverantwortung übernommen werden muss. In dieser Situation eröffnet die Ausbildung in Teilzeit neue Wege, um trotzdem erfolgreich in den Beruf einzusteigen. Gleichzeitig bietet auch für Arbeitgeber die Teilzeitausbildung eine gute Möglichkeit, ihren Fachkräftebedarf ein Stück weit zu decken und eine motivierte Bewerbergruppe für sich zu gewinnen. Dieser Weg ist, wie auch die Statistik zeigt, allerdings relativ unbekannt und wird nur selten beschritten. Im Gespräch mit dem Wirtschaftsstandort beantwortet die Expertin Angelika König, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt der Agentur für Arbeit Mönchengladbach, die wichtigsten Fragen.

Frau König, bei einer Berufsausbildung denkt man automatisch an Vollzeit. Es gibt doch aber auch eine Ausbildung in Teilzeit – was ist das eigentlich?
Angelika König: Ausbildung in Teilzeit ist ein flexibles Ausbildungsmodell, das eine täglich oder wöchentlich reduzierte Arbeitszeit beinhaltet, ohne dass sich dadurch die Gesamtdauer verlängern muss. Grundsätzlich ist sie in allen anerkannten Ausbildungen des dualen Systems möglich. Sie ist speziell für diejenigen gedacht, die Familienpflichten wie die Erziehung von Kindern, aber auch die Pflege von Angehörigen mit ihrer beruflichen Qualifizierung verbinden möchten oder müssen.

Für wen kommt diese Form der Ausbildung in Frage?
Normalerweise schließt sich eine Berufsausbildung ja an den Schulbesuch an, und Familienplanung erfolgt dann später, wenn man im Beruf angekommen ist. Manchmal spielt das Leben aber anders, und um dann neben den Familienpflichten den Anschluss ans Berufsleben zu bekommen, bietet sich eben die Teilzeitausbildung an. Auch wenn Auszubildende während der Ausbildung schwanger werden, kann die Vollzeit- in eine Teilzeitausbildung umgewandelt werden. Und nicht zuletzt ist das Modell interessant für Wiedereinsteigerinnen, die sich beruflich neu orientieren und qualifizieren wollen, aber parallel entweder Kinder betreuen oder Angehörige pflegen müssen.

Und wie macht man das konkret?
Im gemeinsamen Gespräch zwischen Arbeitgeber und Auszubildender/m sollten die Rahmenbedingungen offen besprochen werden: Wie sieht die familiäre Situation aus, welche Unterstützung wird benötigt beziehungsweise. kann geleistet werden. Teilzeitausbildung beruht immer auf einer individuellen Vereinbarung. Diese muss schriftlich im Ausbildungsvertrag festgehalten, von beiden Vertragspartnern unterzeichnet und von der zuständigen Kammer eingetragen werden.

Wie sieht üblicherweise der zeitliche Umfang aus?
Realistisch ist idealerweise eine Zahl von 30 Wochenstunden. Dabei ist zu beachten, dass die Berufsschule in der vollen Zeit absolviert werden muss, die Kürzung erfolgt ausschließlich im Betrieb. Bei 30 Wochenstunden kann die Ausbildung in der normalen Zeit ohne Verlängerung absolviert werden. Kann diese Wochenstundenzahl nicht erreicht werden, muss die zuständige Kammer die genaue Dauer und den Prüfungszeitpunkt feststellen. Teilzeitausbildung bedeutet auch, dass die Ausbildungsvergütung gemäß Tarif an die Wochenarbeitsstunden angepasst werden kann. Damit allerdings ausreichend finanzielle Mittel für die notwendige Lebenshaltung zur Verfügung stehen, kann eine Unterstützung über verschiedene Ämter, wie beispielsweise Jobcenter oder Arbeitsagentur angefragt werden. Eine weitere gute Informationsquelle bietet das Netzwerk W Mönchengladbach unter www.netzwerkw-mg.net.

Was habe ich als Arbeitgeber davon, in Teilzeit auszubilden?
Im Rahmen Ihrer Fachkräftesicherung erschließen sich Arbeitgeber eine neue Personen- oder auch Zielgruppe, die Lebenserfahrung, soziale Kompetenzen und Organisationsvermögen mitbringt! In vielen Berufen werden mittlerweile Auszubildende knapp. Junge Eltern oder Pflegende sind häufig dankbar für die Chancen, die sich hier bieten und sehr motiviert. Bei schon begonnenen Ausbildungsverhältnissen, die umgewandelt werden, sorgen Unternehmen dafür, dass ihre Investitionen nicht verloren gehen. Und nicht zuletzt: Sie steigern Ihre Attraktivität als familienfreundlicher Arbeitgeber auch für andere Bewerber. Ihren Auszubildenden ermöglichen sie den Weg zu eigenständiger Existenzsicherung. Auch die Vorbildfunktion, die berufstätige Eltern für ihre Kinder übernehmen, ist nicht zu unterschätzen.

Wen kann ich ansprechen, wenn ich mich für diese Form der Ausbildung interessiere?
Der Arbeitgeberservice der örtlichen Arbeitsagentur und die Beauftragten für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt (BCA) von Arbeitsagentur und Jobcenter informieren gerne. Zur konkreten Umsetzung beraten die Ausbildungsberater der zuständigen Kammer.

Gibt es noch weitere Hilfen?
Ja, es gibt eine vom Land NRW mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) geförderte Vorbereitung auf eine Teilzeitausbildung (TEP), bei der sowohl die Zeit vor, der Übergang in sowie die erste Zeit während der Ausbildung begleitet werden. Das kann von Hilfen zur Auswahl eines geeigneten Berufes, der Suche nach dem passenden Betrieb bis zur Unterstützung bei der Organisation der Kinderbetreuung reichen. In unserer Region gibt es zwei TEP-Projekte: beim Kolping-Bildungswerk Neuss und bei der Kreishandwerkerschaft Krefeld-Viersen-Neuss. Natürlich sind sie auch für Interessenten aus Mönchengladbach offen. Interessierte Unternehmen können sich ebenso an die Träger wenden, und sich als Ausbildungsbetrieb zur Verfügung stellen. Dabei besteht zudem die Möglichkeit, sich über Praktika gegenseitig kennen zu lernen und so die Passung im Betrieb auszuloten.

 

INFO
Am 31. Dezember 2016 gab es in NRW 297.219 Auszubildende im dualen System, im Regierungsbezirk Düsseldorf waren es insgesamt 80.958. In Teilzeit wurden zum selben Stichtag in NRW insgesamt 1.233 Personen ausgebildet, im Regierungsbezirk Düsseldorf waren es 438. Der Anteil der neu abgeschlossenen Ausbildungsverhältnisse an diesen 438 Ausbildungsverhältnissen wiederum lag bei insgesamt 180. Während bei Vollzeitausbildungen sowohl in Gesamt-NRW als auch im Bezirk Düsseldorf die Anzahl der männlichen Azubis überwiegt (circa 62,0 Prozent aller dualen Ausbildungsverhältnisse), werden Teilzeitausbildungen weit überwiegend von jungen Frauen gewählt (92,0 Prozent).

KONTAKT
Agentur für Arbeit
Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt
Angelika König
Tel. 02161.404 1305
E-Mail: Moenchengladbach.BCA@arbeitsagentur.de

IM NETZ
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