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Energiegewinnung von morgen entfalten!

 

Mönchengladbach. Die Flächen rund um den Mönchengladbacher Hauptbahnhof werden in einigen Jahren nicht mehr wieder zu erkennen sein. Nicht allein, dass der zentrale Omnibusbahnhof komplett umgestaltet werden wird; es entsteht hier praktisch ein neuer, kleiner Stadtteil. Urbanes Wohnen der Zukunft ist die Leitlinie, an der sich Projektentwickler, die ins Umfeld des Hauptbahnhofs investieren, orientieren. Mit dem Projekt „19 Häuser“ bekommt der Europaplatz, wo die Schrottimmobilie Haus Westland endlich abgerissen wird, ein neues Gesicht.

 

Ein noch größeres Neubauprojekt entsteht bekanntlich auf dem Areal des ehemaligen Güterbahnhofs: die Seestadt mg+. In unmittelbarer Nähe zur Innenstadt werden hier 2.000 Wohnungen sowie Büros, Hotel und diverse Serviceeinrichtungen gebaut. Schätzungsweise 2.000 neue Arbeitsplätze gehen damit einher. Eine Dimension, die komplexe Anforderungen an Energieversorgung, Mobilitätsplanung und Entsorgung stellt. Seit rund einem Jahr beschäftigt sich der regionale Energieversorger NEW mit der Frage, wie ein neues Wohnquartier effizient und nachhaltig mit dem notwendigen Energiebedarf gedeckt werden kann.

 

„Unser Ziel ist, ein smartes, autarkes Wohnquartier zu entwickeln“
Stadtentfalter-Geschäftsführer Dr. Andreas Klesse

 

Antworten soll hier jetzt und in den kommenden Jahren die Stadtentfalter GmbH geben. Die neue Gesellschaft ist ein Joint Venture von „NEW Smart City“ und der E.ON-Tochter Avacon Natur. Beide hatten zunächst getrennt ihre Ideen zur dezentralen Energiewärmegewinnung bei Seestadt-Projektentwickler Catella vorgestellt – und dabei große Schnittstellen festgestellt. „Wir haben schnell gesehen, dass unsere DNA ähnlich ist und wir uns beide eine Kooperation bei diesem Projekt vorstellen können“, erklärt Raphael Jungbauer (Foto links) von der NEW und einer der beiden Geschäftsführer der neu gegründeten Stadtentfalter GmbH. Sein Pendant aus dem Hause Avacon ist Dr.-Ing. Andreas Klesse, der zusammen mit Jungbauer und einem Projektteam daran arbeitet, die Seestadt mg+ mit zu entwickeln. „Ziel unserer Gesellschaft ist es, ein smartes, autarkes Wohnquartier zu entwickeln und so auf die Energiewende einzuzahlen. Über Mobilitätsdienstleistungen im Rahmen der Planungen wollen wir außerdem die Verkehrswende begleiten und tangieren damit auch Entsorgungsthemen, etwa die Abwärmenutzung aus dem Kanalnetz“, erläutert Klesse.

 

Die Energieversorgung der Seestadt mg+ soll durch das System der Abwasserwärmerückgewinnung (AWRG) sichergestellt werden. „Häusliches und industrielles Abwasser haben ein hohes Potenzial an Wärme, welche bisher weitgehend ungenutzt der Kanalisation zugeführt wird“, erklärt Raphael Jungbauer. Durch eine moderne Abwasserwärme-Nutzungsanlage (AWNA) kann die im Abwasser enthaltene thermische Energie effizient genutzt werden. „Ein Merkmal unseres Energiekonzepts ist, dass es innovations-offen ist. Technologie, die heute als modern gilt, könnte in zehn Jahren bereits veraltet und durch neue wirkungsvollere Technologien ersetzt sein. Wir können darauf reagieren und unsere Energiegewinnung jederzeit daran anpassen“, erläutern die beiden Geschäftsführer.

 

Schon vor dem ersten Spatenstich zur Seestadt kann sich auch die Stadtentfalter GmbH eine Auszeichnung ans Revers heften, die die Seestadt mg+ unlängst vom Land Nordrhein-Westfalen erhalten hat, nämlich die Ernennung zur größten Klimaschutzsiedlung in NRW. Voraussetzungen für die Zertifizierung sind die klimaschonende Energieerzeugung, welche durch den Einsatz innovativer Technologien ermöglicht wird, sowie die Erfüllung besonderer städtebaulicher und architektonischer Anforderungen an modernes und nachhaltiges Wohnen.

 

„Unsere Planungen für die Seestadt mg+
gehen über das Thema Energieversorgung hinaus“
Stadtentfalter-Geschäftsführer Raphael Jungbauer

 

„Unsere Projektarbeit für die Seestadt mg+ ist extrem spannend, weil hier der Innovationscharakter bereits sehr weit entwickelt ist“, sagt Klesse (Foto links). Sein Mutter-Unternehmen E.ON hat bereits Erfahrung bei der Energieversorgung für neue Wohnquartiere: In ihrem Reallabor „TransUrban.NRW“ treibt E.ON den Übergang klassischer fossiler Fernwärmesysteme zu intelligenten CO2-armen Energielösungen bereits voran. „TransUrban.NRW“ ist ein Sieger des Ideenwettbewerbs „Reallabore der Energiewende“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und startet jetzt als Modellvorhaben in Quartieren in Nordrhein-Westfalen – neben Mönchengladbach beispielsweise auch in Herne und Gelsenkirchen. Umgesetzt wird das Projekt von einem Konsortium unter der Leitung von E.ON, gemeinsam mit dem E.ON Regionalversorgungsunternehmen Avacon, der Stadtentfalter GmbH, sowie Partnern von kommunalen Unternehmen, der Immobilienwirtschaft und der Forschung wie der Universität RWTH Aachen.

 

„Unsere Planungen für die Seestadt mg+ gehen aber über das Thema Energieversorgung hinaus. Wir machen uns auch Gedanken über eine Umsetzung der Mobilitätsstrategie für das Quartier, wo es möglichst keinen Individualverkehr geben soll. Wir wollen das Thema E-Mobilität mit einem entsprechenden Angebot an Ladesäulen auf dem Seestadt-Areal genauso wie das CarSharing vorantreiben. Und wir denken über die Entwicklung einer Quartiers-App für die Seestadt-Bewohner nach“, erzählt Raphael Jungbauer. Nach vielen Jahren der Planung soll nun Ende des Jahres der erste Bauabschnitt der Seestadt eröffnet werden, die ersten Wohnungen inklusive Tiefgarage mit 134 Stellplätzen werden an der Lürriper Straße entstehen. Im November 2021 sollen die ersten Mieter der Seestadt einziehen – und dann beginnt auch für die Stadtentfalter GmbH ein neuer und spannender Abschnitt des ambitionierten Projekts.

-jfk

 

 

SEESTADT MG+
Kernstück des Projekts ist ein neu angelegter, rund 20.000 Quadratmeter großer See. Dieser spielt beim Thema Energieversorgung für die Stadtentfalter GmbH übrigens keine Rolle, wie Geschäftsführer Raphael Jungbauer erklärt: „Einen See für die Energiegewinnung zu nutzen, ist momentan aus ökologischen Gründen noch immer etwas diffizil. Möglicherweise gibt es hier aber in ein paar Jahren neue Lösungen.“ Der See soll jedoch als Temperaturspeicher fungieren und damit im Sommer kühlend wirken. Bei Starkregen dient der See als Zwischenspeicher für mehrere Tausend Kubikmeter Regenwasser.

 

 

MOBILITÄT
Das gesamte Quartier wird oberirdisch autofrei, Fahrzeuge sollen in die Tiefgarage einfahren. Bewohner sollen deutlich weniger Autos halten, dazu wird es drei MobilitätsHubs geben. Dort sind Carsharing-Fahrzeuge, E-Roller, Leih-Fahrräder und Paketstationen vorgesehen. Lieferverkehr im Quartier soll es nicht geben. Alles soll über eine Smartphone-Plattform buchbar sein – nicht nur für Anwohner.

 

 

Bildunterschrift (oben): Raphael Jungbauer (r.) und Dr.-Ing. Andreas Klesse sind die beiden Geschäftsführer der kürzlich gegründeten Stadtentfalter GmbH.
Foto: Andreas Baum

 

 

„Energiegewinnung von morgen entfalten!“
ist ein Beitrag aus der aktuellen Ausgabe
des Magazins Wirtschaftsstandort Mönchengladbach.
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