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NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart: Wie gelingt der Strukturwandel?

 

Niederrhein. Wie kann der Strukturwandel im Rheinischen Revier erfolgreich gestaltet und gleichzeitig die Versorgungssicherheit der energieintensiven Industrie gesichert werden? Diese Frage haben die Mitglieder der Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein in ihrer jüngsten Sitzung mit Professor. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, diskutiert. „Die Frage nach einer sicheren, wettbewerbsfähigen und umweltverträglichen Energieversorgung ist eine Schlüsselfrage für unsere Region“, sagte IHK-Präsident Elmar te Neues zur Begrüßung. „Insbesondere die energieintensive Industrie ist auf wettbewerbsfähige Energiepreise angewiesen“, ergänzte IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz.

Bevor er auf die energiepolitischen Fragen einging, skizzierte der Minister die Grundzüge der nordrhein-westfälischen Wirtschaftspolitik: Es gehe darum, die Chancen der Digitalisierung zu erkennen und zu nutzen, die Start-up-Kultur im Land zu entwickeln und gute Rahmenbedingungen für Unternehmer zu schaffen.

Zur aktuellen Debatte um die Zukunft der Braunkohle sagte Pinkwart: „Wir stehen zu den Klimazielen von Paris. Wichtig hierbei ist jedoch eine sichere und bezahlbare Energieversorgung.“ Die Braunkohle sei auf absehbare Zeit das Rückgrat der nordrhein-westfälischen Energiewirtschaft. „Die deutsche Spitzenlast von 84 Gigawattstunden muss jederzeit gedeckt werden können. Mit 46 Gigawatt leisten Braun- und Steinkohlekraftwerke derzeit den größten Beitrag für eine sichere Energieversorgung“, erklärte er. Mit dem Ausstieg aus der Kernenergie habe sich Deutschland „eine wichtige Brücke“ für den Übergang zu den erneuerbaren Energien genommen. Auch beim Netzausbau – eine wesentliche Grundlage für eine erfolgreiche Energiewende – gebe es noch enorme Herausforderungen. Mit Blick auf die Arbeit der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung, plädierte der Minister für eine vernünftige und zukunftsorientierte Entscheidung: „Wenn wir den Strukturwandel im Rheinischen Revier erfolgreich gestalten wollen, brauchen wir auch die Zeit, um neue Strukturen aufzubauen.“ Gleichzeitig sei die Industrie in Nordrhein-Westfalen auch in Zukunft auf bezahlbare Energie angewiesen. „Unsere Strompreise gehören jetzt schon zu den höchsten der Welt“, betonte Pinkwart.

 

IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz (l.) und IHK-Präsident Elmar te Neues (r.) begrüßten Professor Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, zu Sitzung der Vollversammlung. Fotos: IHK

 

Im Anschluss stellte Dr. David Bothe vom Institut Frontier Economics die Ergebnisse einer Studie vor, die von den Industrie- und Handelskammern Mittlerer Niederrhein, Aachen und Köln in Auftrag gegeben worden war. Demnach liegt der Anteil der energieintensiven Industrien an der Wertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes in den drei IHK-Bezirken bei 29 Prozent und damit weit über dem Landes- und dem Bundeswert mit 21 beziehungsweise 15 Prozent. Den größten Anteil an dieser Wertschöpfung haben am Mittleren Niederrhein die Chemische Industrie (47 Prozent), die Hersteller von Nahrungs- und Futtermitteln (31 Prozent) und die Nichteisen-Metallindustrie (10 Prozent). „In der Region sind mit 35.137 Mitarbeitern rund 8,6 Prozent aller Beschäftigten in energieintensiven Branchen tätig“, erläuterte Bothe. „Auf drei Beschäftigte in den energieintensiven Branchen kommt ein weiterer Arbeitsplatz in anderen Branchen, sodass wir in den drei IHK-Bezirken rund 125.200 Beschäftigte dank der energieintensiven Unternehmen haben.“

Darüber hinaus treiben die energieintensiven Branchen durch ihre Leistungsbeziehungen mit anderen Unternehmen den Umsatz einer ganzen Reihe anderer Branchen an, wie die Frontier-Studie belegt. „Auf jeweils vier Euro Umsatz in den energieintensiven Betrieben kommt noch einmal ein Euro Umsatz bei Zulieferern und Dienstleistern entlang der Wertschöpfungskette in den drei IHK-Bezirken“, erläuterte Bothe. So führen 32,4 Milliarden Euro Umsatz in den energieintensiven Unternehmen in der Region letztlich zu 39,8 Milliarden Euro Umsatz für die Gesamtregion und schlussendlich zu 81 Milliarden Euro auf Bundesebene.

Aufgrund der engen Verflechtungen und Abhängigkeiten von energieintensiven und anderen Branchen appellierte Jürgen Steinmetz an die Mitglieder der „Kohlekommission“, die Auswirkungen von neuen energiepolitischen Weichenstellungen genau zu prüfen: „Vermeintlich nur für energieintensive Betriebe geltende Regelungen können gravierende Auswirkungen auf andere Unternehmen und Branchen haben, dem Wirtschaftsstandort insgesamt schaden und letztlich auch Arbeitsplätze gefährden.“