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Stammtisch Wirtschaft – mit Dr. Gregor Bonin

 

Mönchengladbach. Stammtisch Wirtschaft“ ist ein neues Interview-Format des Wirtschaftsstandort Niederrhein. In regelmäßigen Abständen bitten wir Persönlichkeiten der Stadt an charakteristischen Plätzen zum ausführlichen Gespräch – eben zum „Stammtisch“, wo es neben dem Fachlichen auch immer um Persönliches gehen soll. Zum Auftakt der Serie war Dr. Gregor Bonin, seit 2015 Planungsdezernent der Stadt, zu Gast. Ort des Treffens war Gladbachs ältestes Gasthaus, das St. Vith am Alten Markt. Die Fragen an Dr. Bonin stellte Wirtschaftsstandort-Redakteur Jan Finken.

 

Herr Dr. Bonin, wo steht denn zurzeit Ihre Niederrhein-Leuchte?
Dr. Gregor Bonin: (lacht) Anfangs noch zu Hause, aber inzwischen hat sie einen Ehrenplatz in meinem Büro bekommen.

Waren Sie überrascht, als Sie im Mai mit dieser Auszeichnung des Niederrheinischen Pressevereins bedacht wurden?

 

Absolut. Zumal ich neben Museumsdirektorin Susanne Titz erst der zweite Preisträger aus Mönchengladbach bin, dem diese Ehre zuteil wurde. Dass sie eine meiner Vorgängerinnen ist, freut mich besonders, denn wir versuchen seit langer Zeit gemeinsam, Aspekte der Kultur und der Stadtplanung zusammenzuführen. Dafür muss ich mich nicht verbiegen, denn ich bin durchaus kunst- und kulturaffin. Weil Susanne Titz den Preis vor zwei Jahren erhalten hatte, war mir diese Auszeichnung auch ein Begriff.

 

„Empörungswellen in
den sozialen Medien“

 

Mit diesem Medienpreis werden seit 1985 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ausgezeichnet, die einen fairen und offenen Umgang mit der Presse pflegen.

Umso mehr freut mich diese Auszeichnung, zumal ich diese in meiner Funktion als Planungsdezernent bekommen habe. Als solcher habe ich ja ständig mit Veränderungsprozessen zu tun oder stoße sie an. Diese gefallen nie jedem, und heutzutage ist es ja relativ einfach, über die sozialen Medien und das Internet seine Meinung ungefiltert zu äußern. Grundsätzlich wäre das auch in Ordnung, aber inzwischen findet ein Austausch auf Augenhöhe, bestenfalls im persönlichen Gespräch, ja gar nicht mehr statt. Das Internet und die sozialen Medien sind zu Plattformen für Empörung, Entrüstung und persönlichen Angriffen geworden. Und wenn sogenannte Wutbürger solche Empörungswellen auslösen, sind sie nicht mehr aufzuhalten, erst recht nicht mit Fakten oder dem Angebot zum persönlichen Austausch. Deshalb fühle ich mich durchaus geehrt, die Niederrhein-Leuchte erhalten zu haben, denn es zeigt, dass ich zumindest versuche, mit den Medien und der Öffentlichkeit ins Gespräch zu kommen, Informationen zu teilen und unsere Sichtweise zu erläutern. Für mich persönlich ist es wichtig und selbstverständlich, meine persönliche Haltung und mein Tun immer wieder zu begründen, um Verständnis und Vertrauen zu schaffen.

 

Gerade der Aspekt, dass Sie die Mönchengladbacher Bürger bei Ihren Plänen mitnehmen möchten, wurde in der Laudatio hervorgehoben.

Eine Stadt kann man nur mit den Bürgern gemeinsam bewegen und verändern. Deshalb ist das auch ein wesentlicher Punkt in unserer Stadtentwicklungsstrategie mg+ Wachsende Stadt: Mit den Menschen dieser Stadt über die Zukunft ihrer Stadt zu sprechen. Und gemeinsam herauszufinden, wie man diese für die nächsten Jahre und Jahrzehnte zukunftsfähig aufstellen kann. Das ist ein hehrer Anspruch, aber nur so funktioniert es.

 

„Selbstverständlichkeit
statt Euphorie“

 

Dennoch scheint die spürbare Anfangseuphorie bei den Bürgern rund um das neue Mönchengladbach, den Masterplan MG3.0 und die Stadtentwicklungsstrategie mg+ Wachsende Stadt zuletzt ein wenig abgeebbt zu sein, oder täuscht dieser Eindruck?

Euphorie kann man nicht über Jahre gleichermaßen hochhalten. Dafür ist diese Euphorie an vielen Stellen in der Stadt schon zu einem grundsätzlichen Verständnis geworden. Deswegen bin ich im Grunde ganz froh, dass es nicht mehr die Euphorie ist, die den Ton in dieser Stadt setzt, sondern dass es als selbstverständlich angenommen wird, dass sich in dieser Stadt vieles bewegt. Zudem ist die Frage, woran man die Euphorie messen soll. Viele Bürger verbinden sie mit der Frage: Wann kommen denn endlich überall die Baukräne?

 

Sie nehmen mir meine Frage vorweg. Wann kommen sie denn, die Kräne?

 

(lacht) Wie gerade gesagt, die Selbstverständlichkeit und die Erwartungshaltung, das hier etwas passiert, gibt es schon einmal, das ist gut. Zum anderen sind schon viele Kräne da, wenn man diese sinnbildlich für Arbeiten an öffentlichen Gebäuden, beim Kita-Bau, an Brücken, auf Plätzen, im Straßenbau oder beim Ausbau des Radwegenetzes nimmt. Weitere Beispiel sind die Kaiser-Friedrich-Halle und die Bibliothek, wo sich Grundlegendes tut… Im Januar 2020 erfolgt die Grundsteinlegung der Markthalle auf dem Kapuzinerplatz, zum Weihnachtsgeschäft im nächsten Jahr ist sie fertig. Diese vielen Beispiele zeigen, dass in Mönchengladbach schon jetzt so viel bewegt, gebaut und investiert wie noch nie.

 

Das ist sicherlich richtig, aber die Bürger warten auf Bewegung bei den geplanten Großprojekten…

Mir ist das sehr bewusst, dass es in der öffentlichen Wahrnehmung der Gradmesser ist, ob in dieser Stadt etwas geht, ja oder nein? Ich kann sagen: Es geht etwas! Stichwort Gelände Maria Hilf: Hier sind inzwischen alle medizinischen Geräte aus den Krankenhaustrakten entfernt worden, es wird kontinuierlich entkernt. Wir haben eine mehr als erfolgreiche Planungswerkstatt, wir sind mehr als erfolgreich bei der Umsetzung des Bebauungsplans – übrigens auch wieder gemeinsam mit den Bürgern. Die Rechtskraft für den B-Plan erwarten wir etwa Ende diesen Jahres. Im zweiten Halbjahr sollen die alten Gebäude temporär durch die Mönchengladbacher Künstlergruppe „Mischpoke“ bespielt werden. Ende 2019, spätestens Anfang kommenden Jahres beginnen die ersten Abbrucharbeiten. Parallel bauen wir ein Vermarktungskonzept auf, um unsere Ansprüche nicht nur in Sachen Architektur, sondern auch an den Mix beim Wohnungsbau zu dokumentieren. Aus diesem Grund werden wir die Entwicklung der Maria Hilf Terrassen auch nicht an einen Investor, sondern an mehrere vergeben. Das bedeutet einen hohen Moderationsaufwand seitens der Verwaltung.

 

Wie ist die Nachfrage seitens potenzieller Investoren?

Hoch! Die Interessenten kommen sowohl aus Mönchengladbach als auch aus der Region. Es gibt ein sehr großes Interesse von Gladbacher jeglicher Couleur, dieses exzellente Areal im Herzen der Stadt mit Blick „ins Tal“ zu entwickeln – das gab es in dieser Form bis vor drei, vier Jahren nicht. Gleichzeitig wird Mönchengladbach auch interessant für Investoren aus dem Ausland, wie wir bei unseren Auftritten bei der EXPO Real in München, bei der polis Convention in Düsseldorf oder auch der MIPIM in Cannes in den vergangenen Jahren regelmäßig erfahren.

 

„Wir können nicht immer
nur eine Party feiern“

 

Werden die Themen Maria Hilf und Seestadt mg+ auch die Themen sein, die von Seiten der Stadt Mönchengladbach bei der kommenden EXPO-Messe im Oktober in München vorgestellt?

Diese und das Projekt „19 Häuser“, die auf dem Areal von Haus Westland entstehen werden. Dieses hat zwar weniger mit Wohnungsbau zu tun, ist für die künftige Entwicklung der Stadt jedoch ebenfalls maßgeblich. Hier sind wir über den Zustand der Euphorie auch schon hinaus und hart am arbeiten – wir können nicht immer nur eine Party feiern (lacht). Der neue Investor muss da jetzt liefern, denn die Schmerzgrenze für die Mönchengladbacher, was die Zukunft von Haus Westland betrifft, ist längst erreicht. Anfang 2020 sollte der Bebauungsplan durch sein.

 

Für das Großprojekt „19 Häuser“ erwartet der Planungsdezernent für Anfang 2020 die Genehmigung des Bebauungsplans. Visualisierung: Planungsbüro KBNK

 

Parallel dazu muss auch die künftige Gestaltung des Zentralen Omnibus-Bahnhofs geplant werden…

Zentraler Omnibus-Bahnhof, was für ein Begriff. Ich spreche lieber vom Mobilitäts-Hub der Zukunft. Der Investor der „19 Häuser“, die NEW mit ihrem Vorsitzenden Frank Kindervatter und ich sind persönlich und regelmäßig in enger Abstimmung und Planung, denn die Gestaltung des Areals ist eine komplexe Aufgabe. Noch sind etliche Grundstücke, die in die Planung mit einbezogen sind, im Eigentum der Stadt oder der NEW. Dann muss der Betrieb des Busbahnhofs ja auch während der Bauphase laufen, sonst kommt der öffentliche Nahverkehr in der Stadt zum Erliegen. Und dann müssen wir überlegen, welche Struktur braucht der neue Mobilitäts-Hub eigentlich und welche Funktionen muss er erfüllen, um fit für die nächsten 30, 40 oder 50 Jahre zu sein.

 

Das klingt, als ob das Areal rund um den Hauptbahnhof, mit den Arbeiten an den „19 Häusern“ und der Seestadt mg+, in den nächsten zwei bis sechs Jahren zur größten Baustelle, die Mönchengladbach jemals gesehen hat, wird…

…jemals gesehen hat und so schnell auch nicht mehr sehen wird. Als Stadt werden wir das IHEK-Projekt „Umgestaltung des Platzes der Republik“ mit rund 4,7 Millionen Euro in den nächsten Jahren umsetzen. Bei der Seestadt mg+ erwarten wir die ersten Bauanträge, und ich habe die Hoffnung, dass wir dort in diesem Jahr tatsächlich auch den ersten Bagger sehen. Für Mönchengladbach ist es ein Glücksfall, dass sich Investor Catella mit diesem Projekt für uns entschieden hat. Es ist kein Geheimnis, dass ich schon zu meiner Zeit in Düsseldorf mit den Verantwortlichen von Catella sehr gut zusammen gearbeitet habe; das grundsätzliche Vertrauen ist daher auf beiden Seiten da. Denn man darf nicht vergessen, dass auch bei einem solchen Großprojekt – bei allen wirtschaftlichen Aspekten und den politischen Zielvorstellungen – alles mit Menschen, den handelnden Personen, anfängt. Wenn hier die Basis stimmt und man dieselbe Sicht- und Denkweise hat, kann vieles klappen.

 

„Kann der See als
Speichersee genutzt werden?“

 

Die Seestadt mg+ soll ein Quartier für künftiges modernes Wohnen werden. Welche Aspekte fließen bei der Planung des 750 Millionen Euro teuren Projekts ein?

Alle, die für ein neues, urbanes Viertel solcher Größenordnung in Zukunft relevant sein werden. Vieles drehte sich um Mobilität, aber auch um das Thema Energieversorgung: Wie kann diese ökologisch einwandfrei gewährleistet werden? Kann der geplante See möglicherweise als Speichersee genutzt werden? Das sind alles Fragen, mit denen wir uns derzeit beschäftigen. Die Seestadt wird das Zentrum der Stadt grundlegend verändern, aber vom emotionalen Aspekt her stufe ich die „19 Häuser“ noch höher ein. Haus Westland ist eine Ikone des schlechten Geschmacks, ein altes Gebäude, das seit 15 Jahren in zentraler Lage vor sich hin siecht. Wenn hier zum ersten Mal die Abrissbirne einschlägt, wird das ein ganz emotionaler Faktor für die Bürger sein, davon bin ich überzeugt. Mit dem Abriss von Haus Westland wird es auf einmal heißen: Hier in Mönchengladbach geht tatsächlich was!

 

…dabei wäre beinahe das Haus Westland ihr Arbeitsplatz geworden…

Sie spielen auf die früheren Gedankenspiele an, die städtische Verwaltung im Haus Westland unterzubringen. Heute kann man sagen: Gott sei Dank ist es soweit nicht gekommen! Das Haus Westland ist ein Symbol für vertane Chancen.

 

Stattdessen soll ein neues Rathaus am bisherigen Verwaltungsstandort Rheydt entstehen.  Hier erwartet Sie die gewaltige Aufgabe, ein Raumangebot für rund 1.900 Verwaltungsmitarbeiter zu schaffen, die von bislang 26 Verwaltungsstandorten weitestgehend an einem einzigen in Rheydt zusammengezogen werden sollen. Ist dieser Neu- beziehungsweise Umbau die bislang größte Herausforderung Ihrer beruflichen Laufbahn?

Ohne wenn und aber: ja! Der Umbau und die Sanierung der Düsseldorfer Oper waren auch nicht ohne, und den U-Bahn-Bau in der Landeshauptstadt habe ich rund ein Jahr lang ebenfalls betreut. Die Entwicklung von Hochhäusern war auch stets spannend, aber hier arbeitet man mit dem Geld eines Investors. Beim  Rathaus der Zukunft mg+ in Rheydt hingegen gehen wir mit Steuergeldern um, die uns die Bürger dieser Stadt anvertrauen – das ist eine viel größere Verantwortung. Wir glauben an die Vision des neuen Rathauses, aber auch unabhängig davon muss bei den Verwaltungsstandorten etwas passieren. Diese sind über die ganze Stadt verteilt, teilweise fremd angemietet und in den letzten 20 Jahren heruntergewirtschaftet worden. 

 

Das neue Rathaus in Venlo gilt vielen als Vorbild hinsichtlich einer modernen Verwaltungsbehörde, Mönchengladbacher Verwaltungsmitarbeiter haben sich dort schon vor Ort umgesehen. Wie viel Venlo wird im Rathaus Rheydt stecken?

Ich hoffe mehr als jetzt in Venlo! Das Gebäude dort ist aller Ehren wert, aber wir haben uns die Aufgabe noch ein wenig schwerer gemacht. Wir planen keinen modernen Neubau auf der grünen Wiese, sondern einen komplizierten Umbau von drei Bauteilen, bei denen unter anderem Aspekte des Denkmalschutzes berücksichtigt werden müssen. Der Verkauf bei Karstadt soll während der Bauphase weiterlaufen, das Gebäude der Stadtsparkasse wird komplett abgerissen und neu gebaut. Diese Voraussetzungen zwingen uns, nicht die eine Lösung zu finden, sondern gleich zwei oder drei. 

 

„Das neue Rathaus in Rheydt ist eine
städtebauliche Maßnahme und nimmt die
positiven Akzente der Sozialen Stadt Rheydt auf“

 

Wenn dies alles so kompliziert ist, warum haben Sie es sich nicht einfach gemacht und ebenfalls auf der grünen Wiese gebaut?

Weil das Rathaus in Rheydt auch eine städtebauliche Maßnahme ist. Das neue Verwaltungsgebäude soll die positiven Akzente, die das Projekt Soziale Stadt Rheydt gesetzt hat, aufnehmen und verstärken. Wenn die Verwaltung dort wegziehen würde, wäre die Rheydter Innenstadt tot. Als Frequenzbringer ist das Rathaus für Rheydt unheimlich wichtig. Das neue Gebäude ist aber auch aus wirtschaftlicher Sicht eine riesige Herausforderung, schließlich kommt Mönchengladbach aus einer HSP-Maßnahme und kann keine goldenen Schlösser bauen. Das dürfen wir nicht, und das tun wir auch nicht. Wir sind absolut davon überzeugt, dass eine Zentralisierung – auch mit all’ ihren Herausforderungen – wirtschaftlicher ist als an den zurzeit 26 Standorten festzuhalten, mit Büros, die mittelalterliche Grundrisse aufweisen mit ebensolcher energetischer Versorgung oder gar Miete zu zahlen. Ich muss doch als größter Arbeitgeber in der Stadt den aktuellen und künftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung ein Szenario bieten, das sie anspricht. Ich kann denen nicht sagen: Hey, wir sind eine Stadt im Aufbruch, wollen deine ganze Kreativität, um die Stadt von morgen zu planen, aber in deinem Büro sind die Fenster verschweißt, weil sie sonst herausfallen – das funktioniert nicht. Was uns gelingen muss, ist, die Wirtschaftlichkeit beim Bau bis zum Ende durchzuhalten; bei den heutigen Baupreisen ist das nicht ganz einfach.

 

Was hält denn die Bezirksregierung als Aufsichtsbehörde von Ihren Plänen?

Wir haben extrem gut vorgearbeitet: Portfolio-Analyse, Bestandsaufnahme, Wertermittlung bestehender Grundstücke – alles da. Zweitens können wir mit unserer gesamtstädtischen Strategie mg+ Wachsende Stadt punkten. Es ist schlüssig, dass der Rathausneubau ein wichtiger Teil dieser Strategie ist Die Bezirksregierung begleitet uns sehr eng, und das ist auch so gewollt. Die Genehmigung zur Gründung der eigenbetriebsähnlichen Einrichtung liegt uns auch schon vor. Inzwischen gelten wir NRW-weit als Vorbild, die Aufmerksamkeit, auch bei anderen Kommunen, ist groß. Die fragen sich: Wie schafft es eine Stadt wie Mönchengladbach, im Rahmen eines Haushaltssanierungsplans ein neues Rathaus zu bauen? Sie haben eben die Frage gestellt, ob die Euphorie in der Stadt erlebbar sei – in unseren Köpfen ist die Euphorie gerade extrem groß, weil in Sachen Rathaus-Neubau in den kommenden Monaten wichtige Weichenstellungen erfolgen werden.

 

Wie sieht der Zeitplan aus?

Acht Planungsbüros haben es in die zweite Phase des Architektur-Wettbewerbs geschafft. Diese müssen ihre detaillierten Pläne bis Mitte September einreichen, Anfang November tagt das Preisgericht. Ziel ist, dem Rat noch in diesem Jahr den Siegerentwurf zu präsentieren. Votiert die Politik dafür, kann im ersten Quartal 2020 der Baubeschluss erfolgen. Ende nächsten Jahres fangen wir an, aus dem aktuellen Verwaltungsgebäude auszuziehen. Bis dahin suchen wir noch eine Interimslösung, in der wir rund 500 Verwaltungsmitarbeiter unterbringen müssen.

 

Wie könnte eine solche Interimslösung aussehen?

Das ist noch offen, wir schauen uns intensiv um. Optionen wären in ein im Bau befindliches Objekt einzuziehen oder sich in bestehende Immobilien einzumieten. Unser Ziel ist, alle Mitarbeiter an einem Standort unterzubringen. Wenn wir die Kollegen, die möglicherweise noch fachlich miteinander arbeiten, über die Stadt verteilen, dann bricht dieses kollegiale Verhältnis auseinander. Zum 1. Januar 2025 wollen wir in das neue Rathaus einziehen. Das ist ohne Zweifel ein sportlicher Fahrplan.

 

Sportlich sollte nach Willen vieler Bauherren auch die Bearbeitung von Bauanträgen in der Verwaltung sein. In der Vergangenheit gab es daran viel Kritik. Hat sich die Situation verbessert?

Wir haben dafür einige strukturelle Veränderungen vorgenommen. Beispielsweise sollen Bauherren nur einen Ansprechpartner für ihr Projekt haben, so steigt die Effizienz der Bearbeitung von Anträgen. Im ersten Halbjahr 2019 hat die Bearbeitung von Bauanträgen in unserer Behörde zwischen sechs Wochen bis maximal drei Monate gedauert, der Schnitt liegt bei 40 Tagen. Diese Bearbeitungszeit gilt, wenn uns alle Unterlagen vollständig vorliegen. Wenn etwa der Bericht zur Prüfstatik erst ein halbes Jahr später kommt, sind auch uns die Hände gebunden. Im bundesweiten Vergleich mit anderen Kommunen können wir uns mit diesen durchschnittlich 40 Tagen Bearbeitungszeit durchaus sehen lassen. Grundsätzlich verfolgen wir die Philosophie, das Ordnungsbehördliche etwas in den Hintergrund zu stellen, und zwar zu Gunsten des kundenorientierten Handelns. Wir sind auf die Architektenschaft zugegangen, haben gefragt, was wir verbessern können, wir haben Info-Abende zu Änderungen bei der Landesbauordnung angeboten. All’ dies sind für uns vertrauensbildende Maßnahmen, aber dieser Prozess ist noch nicht zu Ende; die beständige Verbesserung unserer Dienstleistung ist das Ziel. Dies stemmen wir mit derselben Anzahl an Mitarbeitern wie vorher, denn von einem echten personellen Ausbau in unserem Dezernat kann nicht die Rede sein. 

 

„Ich habe immer die Mütze
‚Gregor Bonn, Gladbacher Bürger‘ auf“

 

Sie sind Beigeordneter für Planen, Bauen, Mobilität und Umwelt, seit März 2018 als Stadtdirektor Stellvertreter des Oberbürgermeisters, Verbandsvorsteher des Zweckverbands „Landfolge Garzweiler“, Mit-Geschäftsführer der Entwicklungsgesellschaft EWMG – Sie haben also viele „Mützen“ auf. Mit welcher stehen Sie morgens auf, mit welcher gehen Sie abends ins Bett?

Ich habe immer die Mütze „Gregor Bonin, Gladbacher Bürger“ auf. Im Job ist mir oft nicht bewusst, welche vermeintliche Mütze ich gerade aufhabe, denn bei all’ meinen Ämtern steht immer im Vordergrund, dass ich ein relativ klares Bild der Stadt Mönchengladbach von morgen habe. Und dann geht es in allen Fachbereichen immer um die Fragen: Was müssen wir auf dem Weg dorthin tun, und was können wir heute dafür vorbereiten. Ich bin Planungs- und Umweltdezernent, und um Stadtentwicklung und ökologische Aspekte unter einen Hut zu bringen, dafür muss ich mich nicht verbiegen. Es ist daher sogar ab und an ganz nützlich, zwei Hüte parallel aufzuhaben, so auch in Sachen EWMG: Ein Planungsteam einer Stadt kann beim Wohnungsbau nur dann punkten, wenn es bei den eigenen Grundstücken mit positiven Beispielen vorangeht. Über die EWMG koordinieren wir Prioritätensetzung, Baureifmachung, Konzeptentwicklung und methodische Ansätze, alles eingebunden in die Gesamtstrategie mg+ Wachsende Stadt. Das kann nur gelingen, wenn direkter fachlicher Zugriff auf die städtischen Grundstücke besteht. Wir haben uns auf den Weg gemacht, Konzeptvergaben durchzuführen und nicht nur nach dem Höchstpreis zu veräußern. Die Wirtschaftlichkeit darf nicht das ausschlaggebende Kriterium für das Überleben beziehungsweise die Weiterentwicklung einer Stadt sein. Damit holt man Erfolge als Momentaufnahmen, gewinnt aber mittel- bis langfristig keine positive Stadtentwicklung.

 

Während Ihrer Zeit in Düsseldorf und auch jetzt hier in Mönchengladbach stehen Sie für eine klare Kante und ein scharfes Profil; manche sagen, Sie würden andere mit Ihrer Art vor den Kopf stoßen. Sehen Sie das auch so?

… ist das wirklich so? Das ist auf jeden Fall nicht meine Intention, aber für das Aufgabengebiet, das ich betreue, und für die Erwartungshaltung, mit der ich in diese Stadt geholt wurde, kann ein Planungsdezernent nur überleben, wenn er seine Position mit Haltung gegenüber der Politik und den Bürgern vertritt. Ich begegne meinem Gegenüber stets mit Respekt, und das ist etwas, was ich auch für mich einfordere. Ich habe in den vergangenen Jahren gelernt, Dinge noch stärker moderieren zu müssen; das ist auch einer sich ändernden Gesellschaft geschuldet, und damit wären wir wieder beim Anfang unseres Gesprächs. Mit unsachlicher Kritik wie etwa „Wer ist für diese sch… Planung verantwortlich, Sie oder Ihr Bürowellensittich?“ kann ich nichts anfangen, sie ficht mich nicht an und ich reagiere auch nicht darauf. Jeder ist willkommen, mit mir in einen Dialog zu treten, aber stets fair, ehrlich, sachlich und auf Augenhöhe. So können wir Dinge gemeinsam auf den Weg bringen – zum Wohle unserer Stadt.

 

Fotos: Andreas Baum

 

Das Gespräch mit Dr. Gregor Bonn führte
Wirtschaftsstandort-Objektleiter Jan Finken